Rolf Gillmeister bei der Herstellung von Klepperle für die Gengenbacher Fasnet – © Jigal Fichtner/Schwarzwald Tourismus
Vom Tüfteln und Kleppern
Der Spaziergang durch die geschichtsvollen Stadttore und malerischen Gassen von Gengenbach lässt es schon erahnen, dass hier etwas ganz Besonderes zu Hause ist. Dort würde ich es aus erster Hand erfahren. Von dem Mann, der die Gengenbacher Klepperle auch heute noch herstellt: Rolf Gillmeister.
Seit über 40 Jahren fertigt er nun schon die Klepperle für die Klepperleskinder von Gengenbach. Klepperle, das sind zwei Holzstücke zwischen der Hand, mit denen kräftig
gekleppert wird. Wobei Holzstücke eine Beleidigung wäre, das ist große Kunst, was Rolf Gillmeister aus dem Holz macht – wahre Größe zeigt sich immer im kleinsten Detail. Bis nämlich aus zwei Holzstücken perfekte Klepperle werden, da bedarf es viel Geschick und vor allem Erfahrung.
Mit 15 Holzarten hat Rolf Gillmeiser, der Klepperlesmacher, schon experimentiert. Das zeigt mir auch ein Blick auf ein Regal, in welchem fein säuberlich sortierte Schachteln stehen, übereinander, nebeneinander. Akkurat beschriftet »Akazie«, »Kirsche«, »Esche«,
»Eiche«, »Ahorn«, »Buche«, und noch viele Sorten mehr. »Jede Holzart hat seinen eigenen
Klang, seine Eigenart und sein Gewicht«, meint der Spezialist, denn für Kinderhände können die Klepperle auf Dauer ganz schön schwer werden. Gekleppert wird nämlich aus
dem Arm und Handgelenk heraus, das lose gehaltene gegen das fest gehaltene, in perfektem Rhythmus, synchron mit den anderen Kindern.
Eine Philosophie ist nicht nur die Holzart, sondern auch die Dauer der Trocknung des Holzes, das kann schon mal zwei Jahre und mehr gehen. Nach der Trocknung beginnt Rolf Gillmeister mit dem Zusägen der Hölzer, bevor er dann so richtig loslegt: Ablängen und Hobeln auf Maß, das Fräsen der Profile und schließlich das Schleifen. Dann werden die Teile mit der Bürste geglättet und anschließend mit Öl behandelt. Maßarbeit vom Feinsten. Rolf Gillmeister hat selbst an den Maschinen und Schleifpapieren getüftelt, bis er zufrieden war. Eigene Patente entwickelt. Die Einbuchtungen der Klepperle müssen perfekt in der Hand liegen, geschmeidig. Und jede Kinderhand ist anders. Als Krönung erhalten die Klepperle eines von fünf Motiven der Gengenbacher Fasnet. Damit so ein Klepperleshäs, also das passende Fasnetskostüm, perfekt ist, braucht es noch die Halstuchhalterung. Zu einer lebenden Attraktion wird Rolf Gillmeister dann selbst, wenn er mit seinem Bauchladen auf der Fasnet auftaucht, da decken sich sogar Touristen mit den Klepperle ein. Ob sie auch Kleppern können?
Denn auch das Kleppern ist eine große Kunst. Kim Fuchs heißt die Gengenbacher Klepperlesmeisterin, die den Kindern das Kleppern beibringt. Was einst eine Bubenbastion war, ist heutzutage für alle offen. Gekleppert wird von acht bis achtzehn Jahren, dann gehen die meisten zu den Maskenträgern der Zunft. Die Maidle zu den »Spättle« und die Buben zu den »Gengenbacher Hexen«. So werden die Kinder über das Kleppern schon früh an die Traditionen der Gengenbacher Fasnet herangeführt, Teil der Schwäbisch-Alemannischen Fasnet, ein immaterielles Kulturerbe. »Durch das Kleppern
sammeln die Kinder Erfahrung mit der Fasnet«, erklärt Kim Fuchs. Stolz ergänzt sie:
»zurzeit sind es 116 Mädels und 60 Jungs.«
Begonnen wird am 11. November, mit der Fasnetseröffnung. Von da an wird zwei Mal
die Woche geübt. Die Klepperlesmeisterin und der Klepperlesmeister samt Gehilfen
begleiten die Kinder, die Größeren helfen den Kleineren, den Neulingen. Je näher es auf die Fasnet zugeht, um so nervöser werden die Kinder. Am Fasnetsamstag endlich der große Tag: Der Klepperleswettbewerb im Klosteroder Narrenkeller. Vorkleppern, Singen, Kleppern. Im perfekten Rhythmus. Den Traum im Kopf und in den Händen. Vorkleppern und Vorsingen, zeigen, was man gelernt hat. Einhändig und beidhändig. Begeistert kleppern und singen die Kinder das Gengenbacher Klepperleslied, im Dialekt versteht sich: Die Buben singen: »Mir sind die brave Junge der Gengebacher Stadt, es isch uns jetzt gelunge, was uns geträumet hat. Mir singe luschdig druff, un klepp‘ re noch dezue: so macht‘s am Fasnet-Zischdig e jeder luschdig Bue«. Die Mädels singen: »Mir sind die fesche Maidle vom Städtle Gengebach, mir schnurre un mir schnaige, dazu sin mir hellwach. Dazu tun mir noch Kleppere und singe euch was vor.«
Ob beim Wettbewerb gewonnen oder nicht, gemeinsam ziehen die Kinder durch die
Gassen, kleppern, singen und trillern die Gengenbacher Narrenmärsche. Höhepunkte
sind dann die Umzüge am Fasnetsonntag und am Fasnetsdienstag – und klar, die Fasnetsverbrennung, da wird als Gruppe fleißig mitgemacht. Danach heißt es wieder warten auf den Elften Elften. Bis dahin wird heimlich weitergeübt. Schon um 1850 wurde in Gengenbach gekleppert. Der Ursprung des Klepperns ist allerdings nicht eindeutig historisch nachvollziehbar. So mussten möglicherweise Pestkranke mit den Holzkleppern auf sich aufmerksam machen, oder es war auch einfach nur ein Kinderspielzeug beziehungsweise Rhythmusinstrument.
Einen Steinwurf von Gengenbach entfernt, in Haslach im Kinzigtal, sieht man das Kleppern etwas strenger, da müssen sich die Kinder im Klepperleswettbewerb am Schmutzigen
Donnerstag im Zunfthaus nach alter Tradition beweisen. Mitmachen am Wettbewerb dürfen noch alle, die fleißig geübt haben, aber nur die Klepperleskönigin und der König sowie Prinz und Prinzessin, also die Sieger, werden in die Klepperlesgarde aufgenommen. Gekrönt werden sie auf dem Wochenmarkt am Fasnetsamstag. Anschließend dürfen die Gewinner bei den Umzügen in der Klepperlesgarde mitlaufen und fleißig kleppern. Mit 18 Jahren ist Schluss mit Kleppern, dann wechseln die Kinder in eine der Haslacher Fasnetsgarden.