Teuflische Umtriebe

Die schwäbisch-alemannische Fasnet ist ein Kulturgut: Auch im Schwarzwald und seinen Narrenzünften gibt es eine unglaubliche Vielfalt von Figuren und Masken. Hier eine Auswahl von ein paar besonders markanten Verkleidungen. 
Von Andreas Steidel

Fasnet in Elzach

Narr der Schuttig Elzach in seinem Häs mit Maske – © Keller / STG

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Die Narren waren nicht immer närrisch. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Fasnet beinahe tot, die Aufklärung hatte sie als billigen Klamauk abqualifiziert, obendrein hatte sie auch noch christliche Wurzeln. Das närrische Treiben vor dem Beginn der Fastenzeit war eine letzte Phase der Ausgelassenheit vor der nun folgenden vorösterlichen Askese.

Erst mit der Romantik feierte sie eine Wiederauferstehung: Es waren die Kölner, die 1823 einen Karnevalsverein gründeten, und das Erstaunliche ist, dass ihnen die Narren im Südwesten Deutschlands dabei folgten. So gab es bei den ersten Vereinen auch im Schwarzwald Karnevalsprinzen rheinischer Prägung. Wer es nicht glaubt, muss nur einen Blick in das Fastnachtsmuseum Narrenschopf der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Bad Dürrheim werfen.

Erst Anfang des 20. Jahrhunderts besann man sich hierzulande wieder der Traditionen aus Mittelalter, früher Neuzeit und Barock und begann sich abzusetzen. So entstand allmählich die schwäbisch-alemannische Fasnet, wie wir sie heute kennen, mit ganz eigenen Figuren, Masken und Gewändern. Die heißen übrigens „Häs“, Mehrzahl „Häser“, das Wort Kostüm ist in einschlägigen Kreisen verpönt.

Ihre Vielfalt ist riesig, mit einer eigentümlichen Mischung aus Althergebrachtem und zeitgenössischen Kreationen. So ist eine der häufigsten Figuren, die Hexe, eigentlich etwas recht Neues. Die Offenburger haben sie 1933 aus der Taufe gehoben und noch im selben Jahr eine Hexenzunft gegründet. Ein paar mittelalterliche Spuren gab es zwar, aber im Grunde ließ man sich von den Brüdern Grimm inspirieren. Entsprechend sehen die meisten Fasnetshexen auch aus:  Besen, Kopftuch und eine hässliche Warze im Gesicht, ab und an, wie in Furtwangen, kommen noch ein paar bizarr-blonde Zöpfe dazu.

Der Teufel ist da etwas älteren Datums: Als Gegenbild Gottes trieb er schon lange sein Unwesen und wurde auch in mittelalterlichen Zeiten immer wieder dargestellt. Eine seiner markantesten Verkörperungen bei der Fasnet ist der Elzacher Schuttig, ein furchterregendes rotes Zottelwesen mit Dreispitz und Holzlarve, wie die Masken auch genannt werden. Niemand darf ihn demaskiert sehen, es gibt sogar eigene Räume, in denen er unerkannt essen und trinken kann.

Übrigens werden auch die Offenburger Hexen von einem Teufel angeführt, Luzifer macht als Hexenmeister eine verflucht gute Figur. Auch der Federahannes aus Rottweil hat etwas Diabolisches im Gesicht. Ein frivoler Narr mit gefiedertem Kleid, aus dessen Mundwinkeln zwei Hauer herausragen, sein gerolltes Kinn ist ein Überbleibsel aus dem Barock.

Viel freundlicher kommt da der Villinger Narro daher. Ein wenig aristokratisch sieht er aus, eine Figur aus der Gruppe der Weißnarren, die ebenfalls ihre barocken Wurzeln nicht leugnen können. Es war eine Zeit opulenter Verkleidungen, Markenzeichen sind bis heute die zum Teil selbstbemalten weißen Gewänder und die übergroße Halskrause. Ein wenig höfisch sieht das beinahe aus, tatsächlich taucht der Hofnarr in Form des Bajass auch immer wieder in der Fasnet auf. Die blaugelbe Variante aus Waldkirch gehört dabei zu den bekanntesten Figuren dieser Sparte.

Doch ihre Fassade ist nur ein schöner Schein, dahinter verbirgt sich ein Schuft, der zu allem bereit ist. Kulturhistorisch war der Narr ein Gottesleugner, einer, der außerhalb der christlichen Gemeinschaft klammheimlich mit dem Teufel paktierte. In der Fasnet durfte man ihn darstellen, für einen kurzen Moment in seine Rolle schlüpfen, ehe man sich wieder bußfertig der göttlichen Autorität unterstellte.      

Fasnacht kam ursprünglich nur dort vor, wo das Land katholisch war. In evangelischen Kreisen war sie lange verpönt. Das hat sich freilich geändert, vor allem, wenn man so dicht beieinander lebt wie in Villingen- Schwenningen. Die evangelischen Schwenninger haben längst ihre eigenen Zünfte und einen Hansel, der dem katholischen Villinger Narro gar nicht so unähnlich ist.

Hansel und Narro – die Begriffe gehen ohnehin wild hin und her. Bei den Schramberger Narren gibt es beides, die Hanselgilde ist die größte Zunft am Ort.  Der Hansel kommt in den tollsten Verkleidungen daher, manchmal trägt er auch ein Häs aus kunterbunten Stoffresten. Der Spättlehansel aus Wolfach besteht aus fast 1000 kunstvoll umstickten kleinen Lappen. Die werden Spättle oder Blätzle genannt und bilden den Themenkreis der Flecklenarren – eine Erinnerung an die Zeiten, als man kein Geld für neue Stoffe hatte und sich kreativ im Lumpenlager bediente.

Eine solch eigenwillige Spättles-Erscheinung ist auch der Bad Dürrheimer Salzhansel. Bei dem sind die Spättle lauter kleine Salzsäckchen, die den ganzen Körper inklusive des Kopfs bedecken. Ein Zeichen dafür, dass immer mehr lokale Besonderheiten das Bild der schwäbisch-alemannischen Fasnet bestimmten, die Salzstadt Bad Dürrheim schuf sich hier 1932 ihren ganz eigenen Hästräger.

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: So treibt die Blätzles-Kunst die allertollsten Blüten. In Zell am Harmersbach sind sie dabei ganz besonders talentiert. Dort gibt es einen Spielkarten-Narro, der aus Königen, Buben und Assen besteht. Der Welschkornnarro wiederum trägt die Hülsen alter Maiskolben auf: Ein Beispiel dafür, wie Bauern auch mit einfachsten Mitteln ihre Fasnetsfiguren formten.

Eher einfach ist das Gewand des Hemdeglunkers, der zuweilen auch als Geltentrommler bezeichnet wird. Gemeint sind damit Narren im Nachthemd, die (zumeist) am Vorabend des Schmutzigen Donnerstags durch die Straßen ziehen und mit ihren Glocken (Glunken) die Fasnet einläuten. In Bad Dürrheim tun sie das zum Beispiel, in Furtwangen, Waldshut und Hornberg.

In Gengenbach wecken die Hemdeglunker die dortige Hauptfigur der Fasnet aus dem Tiefschlaf: Der Schalk ruht außerhalb der närrischen Zeit im Niggelturm und wird dann für ein paar ungezügelte Tage freigelassen. Er ist eine Einzelfigur der Gengenbacher Fasnet und als eine der wenigen auch nicht maskiert.

Die Maske als etwas, hinter dem man sich verstecken kann, die Freiheiten und Frechheiten erlaubt, die man sich sonst nicht erlauben dürfte: Das motiviert heute noch viele, sich in ein Häs zu werfen und ein paar Tage verrückt zu spielen. Der Mensch braucht ein Ventil, heute wie damals, und damit das nicht überhandnimmt, gilt noch immer die alte Formel: Am Aschermittwoch ist alles vorbei!

Information

Die schwäbisch-alemannische Fasnet ist seit 2014 Teil des bundesweiten Verzeichnisses „Immaterielles Kulturerbe“. Wer mehr darüber wissen will, kann das Museum Narrenschopf der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Bad Dürrheim besuchen, es ist das größte seiner Art in Süddeutschland: www.narrenschopf.de. Auch im Niggelturm in Gengenbach ist ein Fasnetsmuseum untergebracht (www.gengenbach.info), ferner gibt es Narrenmuseen in Kenzingen (Oberrheinische Narrenschau: www.kenzingen.de) und in Bonndorf (Schloss-Narrenstuben: www.bonndorf.de). Ebenfalls einen Besuch wert ist das Franziskanermuseum in Villingen-Schwenningen mit Figuren der historischen Villinger Fasnet (www.franziskanermuseum.de) und das Narrenmuseum in Ortenberg, dort sind viele der wichtigsten Häs originalgetreu als Marionette dargestellt (www.narrenmuseum-ortenberg.de).    

Andreas Steidel

Über den Autor

Andreas Steidel

Andreas Steidel ist freier Reisejournalist mit Wohnsitz in Calw im Nordschwarzwald. Er hat festgestellt, dass der Schwarzwald keineswegs so dunkel ist wie sein Name klingt.  Wer sich erst mal intensiv mit ihm beschäftigt, merkt wie viele lichte Seiten er hat und wie viele helle Köpfe es hier gibt. Stoff genug für farbenfrohe Reportagen, die er seit vielen für verschiedene Publikationen macht. Dabei sattelt er gerne das Rad oder schnürt die Wanderstiefel. Als Schwarzwald-Guide führt er zuweilen sogar selbst Gäste durch die Natur.