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Anhand der drei Attribute Cleverness, Weitblick und Durchsetzungsvermögen lässt sich das Leben des 1965 in Hinterzarten geborenen Gundi Thoma gut erzählen. Um innovativ zu sein, sagt er, „muss man erkennen, an was es fehlt, Potenziale und Wünsche ausmachen“. Und dann entsprechend agieren. Dass er mit seinem Credo in der Schwarzwälder (Winter-)Sportbranche gelandet ist, deren Geschichte erzählen und die Tradition fortführen möchte, liegt in seiner Familienhistorie begründet: Gundis Opa Albert Thoma startet 1937 in Hinterzarten die erste Thoma-Skischule, sein Onkel Georg wird 1960 Olympiasieger in der Nordischen Kombination und sein Vater Ottmar baut gemeinsam mit den Brüdern Franz, Georg und Albert das alpine Skizentrum in Hinterzarten auf. Wintersport ohne die Thomas im Schwarzwald? In den letzten Jahrzehnten undenkbar!

Schon früh zeigt sich aber auch, dass Gundi eigene Wege geht: Sein Vater hätte es gerne gesehen, wenn er wie sein weltberühmter Onkel Nordischer Kombinierer wird. „Das Skispringen hat mir schon gefallen, das bissle Fliegen war eine tolle Sache“, sagt Gundi Thoma dazu. „Aber das Langlaufen war mir zu anstrengend im Vergleich zum alpinen Abfahren.“ Ihm imponiert das Schnelle, und schnell ist er einer, auf dem die Alpin-Hoffnungen ruhen im Schwarzwald: Er kommt in die Weltcup-Mannschaft des Deutschen Skiverbands (DSV), hat 1986/87 seine Einsätze, die ganz großen Erfolge bleiben aber aus, nicht zuletzt auch wegen extremen Kniebeschwerden in dieser Zeit.

Für Abhilfe der Knieprobleme schafft in den späten 1980er Jahren eine vom Schweizer Ambros Bettosini neu erfundene „Derbyflex-Platte“, eine Dämpfungshilfe, die – einem Puffer gleich – zwischen Bindung und Ski befestigt ist und stoßempfindliche Körperteile wie Kniegelenke und Wirbelsäule entlastet. Da die Platte nur in einem Bereich des Skis fixiert ist, kann sich der Ski nun über die gesamte Länge und nicht nur bis zum Bindungs-Vorderbacken durchbiegen. Ein feiner Nebeneffekt, der auch die spätere Carving-Ski-Entwicklung beeinflusst. Wintersportler können nun ohne vorherige „Hochentlastung“ den Ski nur durch Kniekippen eine andere Richtung geben. Thoma übernimmt sofort den Vertrieb für dieses Sensationsprodukt, bekommt aber daher Probleme mit dem damaligen DSV-Poolmanager Heinz Krecek, der eine zu hohe Summe als „Poolbeitrag“ verlangt. Zwar ist Thoma unter dem wieder zurückgekehrten Cheftrainer Klaus Mayr für die Weltcupmannschaft vorgesehen, wird jedoch bei einem August-Weltcuprennen in Australien nicht berücksichtigt aufgrund des Vetos von Krecek. Thoma, obwohl weiterhin Nationalmannschaftsmitglied, nimmt das zum Anlass, zur Pro Ski-Tour in die USA zu wechseln. Die Rennen dort sind spektakulär, Mann gegen Mann, mit über zwei Meter hohen Sprüngen. Um gutes Geld zu verdienen, fehlen ihm allerdings die Top-4-Platzierungen.

So geht er nach Japan, fährt dort mit großem Erfolg Rennen im Rahmen der World Pro Ski Association. Quasi nebenbei vermarktet er die amerikanische Skimarke „Hart“, „heute der meistverkaufte Ski in Japan“, sagt Thoma, der entscheidend mithilft, die Marke einem großen japanischen Konzern zu verkaufen. Und schließlich soll er den Japanern das Skifahren beibringen: Im weltweit ersten Bezahlfernsehen Wowow TV darf er ab 1991/92 zwei Winter lang von Ende November bis Ende Januar jeden Tag 15 Minuten zur besten Sendezeit das Skifahren vor den Bildschirmen vermitteln. Gedreht wird an für Japaner historischen Orten wie in Zermatt oder am Arlberg. Ab und zu ist auch seine Frau Lissy dabei, die er bei einem seiner Heimatbesuche 1989 in der damaligen Titiseer „Seebachklause“ kennenlernt. Schon damals interessiert sich das Fernsehen für die spannende Geschichte des um den Globus reisenden „Thoma – the Skiman“ und der heimatverbundenen Wander-Schäferin, 1992 heiraten sie und leben nun schon lange in der Gemeinde Feldberg. „Sie war immer bodenständig und hat mich geerdet, dafür bin ich ihr sehr dankbar“, sagt Thoma. Fun Fact: Die beiden Töchter Naemi und Marlene arbeiten heute im Winter auch als Skilehrerinnen.

Nach seiner Karriere steigt Gundi 1994/95 als staatlich geprüfter Skilehrer in die Thoma-Skischule in Hinterzarten ein. Er erkennt das Potenzial des in den USA schon boomenden, in Deutschland zunächst aber noch etwas verpönten Snowboardens. Und weil er Snowboard-Miterfinder Jake Burton persönlich kennt, verleiht er schon früh das neue Sportgerät und weiht in Hinterzarten mit großem medialen Trara den ersten europäischen Skilift nur für Snowboarder ein. Seinem Onkel Franz, dem Geschäftsführer der Thoma-Lifte, gefällt dieses Spektakel jedoch nur bedingt („Gundi, das ist ja Anarchie in Hinterzarten, das können wir nicht gebrauchen“) – und so kommt Thoma schließlich auf Wunsch des damaligen Bürgermeisters Dieter Kainz 1995 an den Feldberg.

Es ist eine Rückkehr an den Ort, an dem im übertragenen Sinne alles begann: Am 8. Februar 1891 wagte der französische Diplomat und Abenteurer Dr. Robert Pilet auf spitz zugebogenen Holzbrettern den Aufstieg zum 1493 Meter hohen Feldberg. Seine Besteigung des höchsten Schwarzwaldgipfels samt Abfahrt markiert die Geburtsstunde des modernen Skilaufs, bei dem man nur zum Spaß an der Freude Ski fährt und nicht, um von „A nach B“ zu kommen.

Der Startschuss für so vieles, in dessen Tradition auch die Familie Thoma steht: An Weihnachten 1891 wird mit dem „Skiclub Todtnau“ der erste Skiclub Deutschlands gegründet. Ernst Köpfer aus Bernau konstruiert 1892 mit seinem Vater Karl, einem Holzschnefler, den ersten handgefertigten Ski im Schwarzwald. Der Feldberg mit dem Hotel „Feldberger Hof“ und „Feldbergmutter“ Fanny Mayer (Lesetipp: Autorin Heidi Knoblich zeichnet in ihrem neu aufgelegten, historischen Roman „Winteräpfel“ ein anrührendes Porträt dieser mutigen Frau) entwickelt sich in den nächsten Jahren zum Mekka des Skisports. Und: Robert Winterhalder aus Schollach, Gastronom des Schneckenhofes, entwickelt einen wasserkraftgetriebenen Schlepplift für Skifahrer und Rodler. Am 14. Februar 1908 geht der Lift in Betrieb. Es ist der erste Skilift der Welt.

Wenn es nach Gundi Thoma geht, steht bald ein Original-Nachbau dieses weltweit ersten Skiliftes an einem freien Platz am Seebuck – und zwar deshalb, weil der zweite, fest installierte Skilift von Robert Winterhalder genau dort hätte gebaut werden sollen. Der Erste Weltkrieg verhinderte das damalige Vorhaben. Nun aber sei die Zeit reif, findet Thoma, dieses Kulturgut dort aufzubauen, wo auch schon Winterhalder bauen wollte. Zumal Thoma schon einige Spender hätte, die gewillt sind über das Schwarzwälder Skimuseum Hinterzarten diese Außenstelle zu finanzieren. „Das Kulturerbe, dass wir als Schwarzwälder nicht nur für Kirschtorte und Kuckucksuhr, sondern auch für Skisport stehen, muss sichtbar werden.“

Aber das Langlaufen war mir zu anstrengend im Vergleich zum alpinen Abfahren.

Gundolf Thoma

Nach kleinen Anfängen 1995 am Feldberg erweitert Thoma Stück für Stück das Portfolio seiner Wintersportschulen, verleiht Snowboards und Ski, veranstaltet 1997 das erste Carving-Skirennen Deutschlands, seit jeher werden die Kurse von gut ausgebildeten Lehrern geleitet. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern holt Thoma 1999 das erste offizielle FIS-Rennen auf den Feldberg und initiiert den ersten Fun Park. 2002 kreiert Thoma, nach der Idee seiner Frau Lissy, ein großes Skikinderland mit mehreren Förderbändern, Seilliften und Ski-Karussell. Geht Kooperationen mit dem besucherstarken Europa-Park ein, beispielsweise mit einer im Winter im Freizeitpark aufgebauten Kinderskischule, um den Skisport Menschen näher zu bringen, die bis dahin noch nicht damit in Berührung gekommen sind. Pusht den Bau von familiengerechten Angeboten, Hotelzimmern und Ferienwohnungsanlagen. Um neben den Kindern auch die Erwachsenen zu Skifahrern zu machen – beliebte Argumente dagegen sind: zu teuer, zu gefährlich, dauert zu lange – konzipiert er Anfang der 2000er Jahre das Lernkonzept „Ski in a day by Gundi Thoma“: Es ermöglicht Skischülern mit Hilfe gut ausgebildeter Lehrer und taillierten Carving-Ski, innerhalb von etwa vier Stunden in einfachen Parallelschwüngen sicher den Seebuck herunterzufahren. Noch heute ein gern gebuchtes und vielfach kopiertes Modell, das Tausende „neue“ Skifahrer hervorgebracht hat.

Innovativ müsse man sein und zum dazugehörigen Weitblick gehöre selbstverständlich auch, sagt Thoma, „dass man aufgrund des Klimawandels irgendwann auf dem Feldberg nicht mehr wird Skifahren können, aber das ist aus meiner Sicht ein Prozess, der über Jahre und Jahrzehnte geht“. Zum Thoma-Imperium gehören daher neben den Ski- und Snowboardschulen samt Verleih und angegliederter Gastronomie am Grafenmatt auch jetzt schon ein E-Bike- und MTB-Verleih in Titisee, winterunabhängiger Einzelhandel und Ferienbetten (beispielsweise im „Feldberger Hof“) sowie Immobilien-Vermietungen an Partnergeschäfte, die ebenfalls jahreszeitunabhängig sind. Schon jetzt gebe es für schneearme Winter rund um den Feldberg gute Alternativen, findet Thoma, sei es eine Wander- oder Bike-Tour, Indoor-Angebote wie die „Fundorena“ mit u.a. Boulder-Arena sowie Hochseil- und Trampolinpark (wird vom Thoma Action Team betrieben) oder Badespaß und Wellnessangebote im „Badeparadies Schwarzwald“ in Titisee.

Tatsächlich verschiebe sich der Winter eher nach hinten, sagt Thoma, „an Weihnachten lag nun schon öfter mal kein Schnee, aber Februar und März sind häufig wunderbare Schnee-Monate, dazu sind die Tage schon wieder etwas länger und wetterangenehmer“. Einen Vorteil im Vergleich zu anderen Skigebieten sieht er auch darin, dass der Feldberg Wiesenhänge hat und mit verhältnismäßig wenig Beschneiung viel möglich sei. „Bei uns reichen schon zehn Zentimeter Schnee, um zu fahren, anders als in den Alpen mit den felsigen Hängen“, so Thoma.

Wie die Wintersport-Reise am Feldberg im vorvergangenen Jahrhundert losging, ist klar. Wohin die Reise gehen wird dagegen nicht, es herrschen unterschiedliche Ansichten dazu, was Investitionen etc. angeht. Für Thoma jedenfalls ist klar: „Für mich steht der Feldberg im Winter fürs Skifahren und vor allem fürs Skifahren lernen. Das war schon sehr lange so, hier war der erste Skifahrer, der zum Spaß heruntergefahren ist, wir hatten den ersten Skilift und haben tolle Skischulen mit großer Tradition: Bei uns lernt man am einfachsten und am besten Skifahren. Andere Gebiete haben mehr Pistenkilometer und längere Lifte, aber das ist Anfängern erst mal egal. Am Feldberg kann die ganze Familie Spaß haben.“

Mehr Infos finden Sie hier: www.thoma-skischule.de, www.thoma-sports.de und www.feldberg-skischule.de

Text: Michael Gilg

Fotos: Gundolf Thoma, Schwarzwald Tourismus, Kreisarchiv Breisgau-Hochschwarzwald