Da steht es prominent am Eingang der Müllheimer Fußgängerzone, das „Tor“ von Bernd Völkle, von der Bevölkerung liebevoll-spöttisch „Klötzleturm“ genannt. Ein Gebilde wie ein erster Bauversuch aus den Elementen eines Anker-Steinbaukastens für Riesenkinder. Spielerisch aufgesetzt, ein bisschen improvisatorisch und scheinbar wacklig. Zwei tonnenförmige wuchtige „Beine“, über denen ein flacher Quader quasi ein neues Stockwerk beginnt, das wieder aus zwei etwas kleineren Tonnen besteht. Eine ist etwas höher als die andere, weswegen das imaginäre Riesenkind den Unterschied mit einer hellblauen Scheibe ausgeglichen hat - die wiederum leider nicht ganz in der Höhe passt. Aber da ist ein kleiner blauer Quader zur Hand. Mit seiner Hilfe gelangt die Bodenplatte des nächsten Stockwerks in eine stabile Waagrechte. Auf ihr steht das dritte Tonnenpaar, jetzt schon so zierlich, dass man von auch Säulen sprechen kann. Ihre Rundungen nimmt eine ovale Deckenplatte auf. Sie wird gekrönt durch einen leicht asymmetrisch gekipptenTetraeder, der wie ein kesses Mützchen auf der Konstruktion sitzt.
Zitate mit Anspruch
Mit der Dreiecksform als Giebel und den Säulenformen zitiert Völkle aus dem Formenschatz der antiken Baukunst, die im 18. und 19. Jahrhundert für bürgerliches und feudales Repräsentationsbauen wieder entdeckt wurde. „Klassizistisch“ war vornehm, das sieht man auch in Müllheim in unmittelbarer Nähe des Tors. Das Gebäude mit dem Restaurant gegenüber dem „Tor“ stammt aus jener Zeit, als „klassizistisch“ en vogue war. Auch hier verleiht ein Giebeldreieck der gesamten Fassade Noblesse. Ein paar Schritte weiter, gleich neben der Martinskirche entdeckt man das kleine Nebengebäude, in dem der Eingang zu den Veranstaltungen und die Garderoben liegen: die Miniatur eines griechischen Tempels mit Dreiecksgiebel und Säulen. Das schönste Beispiel klassizistischer Fassadengestaltung ist etwas weiter die Fußgängerzone abwärts das Markgräfler Museum mit seinem breiten Dreiecksgiebel. Einen spannungsvollen Bezugspunkt zu diesem Spiel der klaren Linien setzt das ehemalige Rathaus gleich neben dem „Tor“ mit seinem Türmchen, in dem der Architekt 1867 seine Vorliebe für Mittelalter und Renaissance ausgelebt hat.
Müllheims Stadttor, ein Kinderspiel?
Als der aus Ober- und Untermüllheim bestehende Marktflecken 1810 die Stadtrechte erhielt, was mit Böllersalven, Glockengeläute und einem großen Fest gefeiert wurde, waren Stadtmauern und –tore schon lange aus der Mode. In Müllheim blieben auch in den Jahrzehnten danach Landwirtschaft und Weinbau die wichtigsten Erwerbszweige. Von „Urbanität“ wird erst in jüngster Zeit geredet, wenn man die Ansprüche der mittlerweile knapp 20.000 Einwohner zählenden Kommune als Mittelzentrum unterstreichen will. So hat Völkles „Tor“ sowohl in seinem Aufbau als auch in seiner Platzierung etwas Spielerisch-Ironisches, so wie es da steht, mitten auf einem leeren Platz ohne echte Funktion, fast wie unentschlossen. Und ein wenig zu schmal für pompöses Durchschreiten oder –fahren. Auch die Passanten gehen lieber darum herum. Und noch ein zweiter Künstler ist am Müllheimer Klötzleturm beteiligt: Nachdem Völkle sein „Tor“ entworfen hatte, delegierte er den praktischen Teil - Zuschnitt der Bauteile und Aufbau - an seinen Bildauerkollegen, den Auggener Steinmetz Johannes Abel, der das Werk genau nach den Anweisungen Völkles realisierte.
Text von Dorothee Philipp