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Die Kreuzotter. War das gerade ein Geräusch, das man hier vernommen hat? Kriecht sie hier irgendwo durchs Unterholz? Die 70 Zentimeter große Schlange mit dem markanten Zackenmuster gehört zu den vielen verborgenen Wildtieren, die auf den Höhenzügen des Nordschwarzwalds leben. Sie ist giftig. „Wie giftig eigentlich?“, wollen die Besucher immer wieder wissen.

Nadine Berger beruhigt etwas, ordnet ein: „Einem gesunden Menschen können sie nicht gefährlich werden, man sieht sie auch selten.“ Und trotzdem ist es faszinierend, dass es sie hier gibt. Eine echte Giftschlange, mitten in Deutschland.

Tiere sind ein großes Faszinosum für die Menschen. Rangerin Nadine Berger kann natürlich nicht alle der rund 4000 Arten aufzählen, die im Nationalpark entdeckt wurden. So nennt sie nur ein paar. Sie hat für sich sogar eine persönliche Auswahl der „Big Five“ getroffen, ganz ähnlich wie es die Ranger in Afrika tun: Neben der Kreuzotter gehören der Rothirsch, das Auerhuhn, der Dreizehenspecht und der Sperlingskauz dazu.

Am meisten fragen die Leute dennoch nach dem Wolf. Ein Aufreger und Polarisierer. Nadine Berger erklärt ganz ruhig, was es mit ihm auf sich hat und wo man ihn findet: Im Nationalpark ist er bisher eher selten anzutreffen, höchstens ein paar flüchtige Spuren hat man festgestellt, sein Streifgebiet ist viel größer als das Schutzgebiet. Extrem selten ist bisher auch noch der Luchs, der nun erstmals offiziell in Baden-Württemberg ausgewildert wurde.

Seit Herbst 2022 ist Nadine Berger Rangerin im Nationalpark Schwarzwald. Eine von zehn Hauptamtlichen, dazu kommt noch eine Vielzahl von ehrenamtlichen Rangern. Sie hat Waldwirtschaft und Umweltbildung studiert. Einen Großteil ihrer Arbeit verbringt sie mit Wildnisführungen, Einheimische und Touristen gehören zu den Teilnehmern. „Die Leute“, sagt sie, „sind eigentlich sehr interessiert.“

Zuweilen kann man bei ihnen auch noch Skepsis heraushören. Der Nationalpark war in seiner Entstehungszeit vor allem bei Einheimischen sehr umstritten, viele hatten massive Einschränkungen befürchtet. So ist es besonders spannend, wenn Bewohner der Region zu den Gästen gehören. Dann erklärt ihnen Nadine Berger, dass zwar viele Forstwege stillgelegt wurden, aber ein Netz bestens präparierter Wanderwege die Natur erschließt.

Auf einem davon ist man nun mit Nadine Berger unterwegs. Er führt den Skihang am Ruhestein hinauf und anschließend hinunter zum Wilden See. Wie ein großes dunkles Auge leuchtet er im grünen Wald, ein Areal, das hier schon ganz besonders naturnah ist: Rund um den Karsee befindet sich nämlich der älteste Bannwald in Baden-Württemberg.

Ein ideales Gelände, um das Werden und Vergehen der Natur zu erklären. „In einem Wirtschaftswald“, sagt Nadine Berger, „erleben wir nur ein Viertel des Waldzyklus“. Die Bäume werden dort als Jugendliche gefällt. In einem Nationalpark hingegen sterben sie eines natürlichen Todes. Ihre vermoderten Reste zerfallen und bereiten den Boden für eine neue Generation von Pflanzen.

Nadine Berger nimmt ein Stück Totholz und zeigt es in die Runde. „Totholz ist nicht tot, sondern ein wichtiger Lebensraum“, sagt sie. Für den Dreizehenspecht etwa oder den Sperlingskauz, allesamt Arten, die man in Wirtschaftswäldern nicht findet.

Die Leute hängen an ihren Lippen, sind neugierig, auch auf das, was der Beruf einer Rangerin ist. Eine besondere Tätigkeit ist das, „es gibt nur ungefähr 600 von uns in Deutschland“, weiß Nadine Berger. Früher kannte man den Begriff nur aus dem Fernsehen oder dem Amerika-Urlaub, seit es jedoch in Deutschland Nationalparke gibt, sind sie auch hier anzutreffen.

Der Begriff Nationalpark: Auch den muss Nadine Berger immer wieder erklären, wird er doch allzu leicht mit dem Naturpark verwechselt. Der ist eine große natürliche Erholungslandschaft, in dem die bisherigen Nutzungen weitgehend erhalten bleiben. Der Nationalpark jedoch ist ein streng geschütztes Areal, aus dem sich der Mensch peu à peu zurückzieht. Eine Forstwirtschaft findet hier nicht mehr statt. Großflächiger Naturschutz also, dessen Ziel die Rückverwandlung in eine Wildnis ist.

In den Kernzonen ist das schon jetzt der Fall. In den Managementzonen greifen die Ranger hingegen ein, auch damit der Borkenkäferschutz zu den angrenzenden Privatwäldern gewährleistet ist. Überdies findet in manchen Bereichen noch eine kontrollierte Jagd statt.

Rund 10.000 Hektar oder 100 Quadratkilometer umfasst der Nationalpark Schwarzwald derzeit. Er liegt auf zwei voneinander getrennten Arealen: dem Hohen Ochsenkopf im Norden und dem Ruhestein im Süden. Das ist natürlich nicht ideal, weshalb die Verbindung der beiden etwa drei Kilometer voneinander entfernten Flächen zu den großen Zielen des Nationalparks gehört.

Es ist faszinierend zu sehen, was passiert, wenn man die Dinge sich selbst überlässt

Nadine Berger, Rangerin

Es ist viel passiert seit der Gründung des Parks am 1. Januar 2014: So empfängt am Ruhestein heute ein neues, hochmodernes Besucherzentrum die Gäste. Hier kann man die Zusammenhänge der Natur begreifen, an einer Waldorgel Tierstimmen erraten und so lange kurbeln, bis man aus der Vogelperspektive in die Tiefen der Natur abtaucht.

Eine interaktive Schau, bei der Fragen gestellt werden dürfen: Im Besucherzentrum sind überall Mitarbeiter präsent, die den Gästen erklären, was sie zur Ausstellung und dem Großschutzgebiet wissen wollen. Stimmungsvoll beleuchtet kann man dort die Natur als Modell erleben, mit einem Luchs, der täuschend echt über einen umgefallenen Baumstamm spaziert und einem Rothirsch, der durch den Tiefschnee stapft.

Im Besucherzentrum ist auch die Touristinformation der Nationalparkregion Schwarzwald untergebracht. Sie ist ein Zusammenschluss von 27 Gemeinden rund um das Großschutzgebiet und ein Zeichen dafür, wie gut der Nationalpark inzwischen im Nordschwarzwald angekommen ist. „Er ist ein Zugpferd und macht die Region international bekannt“, sagt Geschäftsführerin Xenia Jauker.

Besucher bekommen dort eine Vielzahl von Ausflugstipps für das, was man sonst noch im Nordschwarzwald unternehmen kann: die Wander- und Fahrradwege, das Erlebnis Rheingraben, die exzellente Kulinarik in Baiersbronn und Umgebung.

Herzstück der Region ist aber der Nationalpark. Und zu dessen Highlights gehören eben die Touren mit dem Ranger und der Rangerin. Die führen zu ganz unterschiedlichen Zielen: dem Wilden See, den Wasserfällen von Allerheiligen, dem Lotharpfad, wo man erleben kann, wie sich die sturmgeschädigte Natur auf wunderbare Art und Weise regeneriert.

„Es ist faszinierend zu sehen, was passiert, wenn man die Dinge sich selbst überlässt“, sagt Nadine Berger. Die Natur ist ausgesprochen kreativ, im Nationalpark darf man ihr dabei ein wenig zuschauen. Ein Werkstattbesuch in der Wildnis, in der einem die Ranger und Rangerinnen die Augen öffnen. 

Information:

Die Rangertouren sind grundsätzlich kostenlos. Einen Überblick gibt es auf der Homepage sowie in einer eigenen Broschüre. Im Jubiläumsjahr soll es eine Reihe von Sonderführungen geben. Das barrierefreie Nationalparkzentrum am Ruhestein ist täglich außer Montag geöffnet, Eintritt vier Euro. Mit einem Festwochenende am 15. und 16. Juni 2024 wird die Gründung des Nationalparks Schwarzwald vor zehn Jahren gefeiert, bei dem auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltministerin Thekla Walker dabei sein werden. Im Mai wird der „Spechtpfad“ eröffnet, zudem entsteht im Nordteil des Nationalparks derzeit ein zweites, kleines Besucherinformationszentrum. Schwerpunkt des Nationalparkhauses Herrenwies soll die Geschichte des Schwarzwalds und die Beziehung des Menschen zum Wald sein. Die Eröffnung ist für Oktober 2024 geplant.

Mit Beschluss des Nationalparkrats im Februar 2020 wurden die Kernzonen des Nationalparks, also die „eine Spur wilderen“ Bereiche, von ursprünglichen 32,5 Prozent der Fläche des Nationalparks auf über 50 Prozent erweitert. Bis zum Jahr 2044 soll der Mensch auf 75 Prozent der Gesamtfläche nicht mehr in die natürliche Entwicklung eingreifen.

ÖPNV rund um die Nationalparkregion:

Rund um den mehr als 10.000 Hektar großen Nationalpark Schwarzwald haben sich 27 Orte zur Nationalparkregion Schwarzwald zusammengeschlossen. Die nachhaltige Mobilität zur Anreise in den Nationalpark sowie zur Erkundung der gesamten Region um den Nationalpark spielt dabei eine wichtige Rolle.

In Kooperation mit den drei Verkehrsverbünden Karlsruher Verkehrsverbund (KVV), Tarifverbund Ortenau (TGO) und der Verkehrsgemeinschaft Landkreis Freudenstadt (Vgf) sowie den Initiativen bwegt und bwtarif wurde eine beispiellose Vernetzung des öffentlichen Nahverkehrs in der Nationalparkregion geschaffen. Allein 54 Bahnhaltestellen, 454 Bushaltestellen und 8 Regiobus- und Zubringerlinien durchziehen die Nationalparkregion. So kann der nächste Ausflug ganz entspannt ohne Auto und mit sicheren Verkehrsmitteln geplant werden. Und das Beste: Übernachtungsgäste fahren mit der KONUS-Gästekarte in der Nationalparkregion und im gesamten KONUS-Gebiet kostenlos mit Bus und Bahn! 

Mehr Infos finden Sie hier: www.nationalparkregion-schwarzwald.de und www.nationalpark-schwarzwald.de

Text: Andreas Steidel

Fotos: Nationalpark Schwarzwald, Schwarzwald Tourismus