Container

Auf dem romantischen Schlossberg hoch über den Dächern der Breisacher Altstadt liegt eine der sicherlich schönsten Freilichtbühnen-Anlagen im Ländle: Sie bietet weite Blicke nach Westen über die Rheinebene auf die Vogesen, nach Norden zum Kaiserstuhl und im Süden und Osten auf die Kette der Schwarzwaldberge. Im Zentrum steht aber natürlich das Theater-Spiel der Amateur-Darsteller, deren Können und Erfahrung in Kombination mit professioneller Unterstützung in Regie, Bühnenbau und Maske Garanten sind für Theater-Genuss mit Qualität.

Seit fünf Generationen ist Familie Gräbling aus Breisach eine große Stütze der Festspiele. Alles begann mit August Gräbling, der 1924 zu den Begründern des Theaters wie auch der Narrenzunft gehörte. „Damals gab es noch keinen Fernseher, aber dank der Festspiele waren die Menschen mit Unterhaltung über den Sommer versorgt“, erzählt Hubert Gräbling, der seit 1971 zum festen Stamm der Schauspieler zählt. „Die Festspiele wurden relativ schnell bekannt und ihr Ruf reichte bis in die Schweiz. Darum legten selbst Schweizer Dampfschiffe in Breisach am Rhein an, die Gäste wurden von der Spielerschar empfangen und in einer Art Prozession zu ihren Plätzen geleitet.“ Schon früh war also einer der Gründungsgedanken erreicht – mit der Ankurbelung des Tourismus eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Ab 1979 wurde zudem ein Jugendstück ins Portfolio aufgenommen, von dessen Reservoir an Talenten auch das Abendstück profitiert. Heute begeistern die Festspiele jedes Jahr bis zu 18.000 Besucher.

Ein mindestens ebenso wichtiger Gedanke, neben der Qualität der Aufführungen, ist aber die Gemeinschaft der Ehrenamtlichen. „Bei uns hält man zusammen, denn es geht nur gemeinsam“, sagt Gabi Gräbling, die ihren Mann Hubert auch bei den Festspielen kennengelernt hat. „Wir sind für alle offen, bei uns spielt es keine Rolle, ob man beispielsweise eine Haupt- oder Nebenrolle spielt, hinter den Kulissen zum Gelingen beiträgt oder welchen finanziellen oder sozialen Hintergrund man hat. Bei uns sind alle gleich.“ Ein Beleg für diesen Zusammenhalt ist sicherlich, dass die Festspiele – wie leider viele andere Vereine – nicht mit Mitgliederschwund oder gar Auflösung kämpfen müssen. Das ist nicht selbstverständlich in der heutigen Zeit mit ihren vielen Ablenkungen und Aufgaben, denn natürlich wird den Mitgliedern einiges abverlangt: Mit Proben ab Winter und in stärkerer Frequenz ab Frühjahr sowie den Aufführungen an den Wochenenden von Juni bis September sind sie einen Großteil des Jahres immer wieder gefordert. Mittlerweile gibt es beim Jugendstück eine Spielpause im August, damit Familien mit schulpflichtigen Kindern auch in den Sommerferien in den Urlaub gehen können. Für Familie Gräbling, die das Breisacher Hofgut Batzenhäusle in siebter Generation bewirtschaftet (2018 haben Hubert und Gabi Gräbling die rund 70 Hektar Fläche an Tochter Corinna Steible und Schwiegersohn Philipp übergeben; zur Erntezeit von Mais, Hirse und Weizen helfen aber nach wie vor alle zusammen) war Urlaub aufgrund der vielen Arbeit in der Landwirtschaft aber oft nicht drin. Zum zeitintensiven Job kam mit den Festspielen also noch ein zeitintensives Hobby. „Man bekommt aber auch ganz viel zurück“, entgegnet der 70-jährige Hubert Gräbling, der gut und gerne zehn Jahre jünger aussieht. „So ein Schlussapplaus nach einer gelungenen Aufführung gibt viel Energie.“

Die Begeisterung ihrer Eltern teilt auch Tochter Stefanie Fleischer: „Ich habe das Theaterspielen als Kind als großen Spaß angesehen. Und nach und nach gemerkt, welche Vorteile ich für mich daraus ziehen kann: Das freie Reden und das selbstbewusste Agieren vor dem knapp 750-köpfigen Publikum habe ich als besondere Stärkung erlebt“, erzählt sie. Kein Wunder, dass auch ihr Sohn Julian mit seinen 13 Jahren nun schon auf fast 11 Jahre Bühnenerfahrung zurückblicken kann.

Gabi Gräbling hat im Laufe der Jahrzehnte schon viele Kinder bei den Festspielen erlebt: „Jahr für Jahr werden sie auf der Bühne selbstsicherer, entwickeln sich zu solch tollen Menschen und können das Erlernte auch für ihr späteres Leben gut gebrauchen.“ Sie seien hilfsbereit, engagiert am Gelingen des großen Ganzen und – im Unterschied zum Sportverein – auch mit älteren Menschen zusammen. „Davon profitieren Jung wie Alt“, ist sie überzeugt. Denn man müsse sich auch mal zurücknehmen und merke, dass die Gemeinschaft größer ist als der Einzelne. Theater als Schule des Lebens gewissermaßen.

In der Jubiläumssaison stehen beim Abendstück mehr als 30 Personen auf der Bühne, normalerweise sind es eher um die 25. Das erste Treffen fand schon im Dezember 2023 statt, gleich sechs neue Schauspielerinnen und Schauspieler stellten sich vor. Es wird bei „Cyrano de Bergerac“ (Bühnenfassung und Regie: Peter W. Hermanns) auch Fechtszenen geben, das 100-Jährige soll schließlich etwas Besonderes werden, was auch einige Zusatzproben erfordert. Hubert Gräbling – seine größte Rolle war die des D`Artagnan 1974 bei den „Drei Musketieren“ – wird wie in den vergangenen Jahren wieder in einer Nebenrolle glänzen, das viele Textlernen ist eher nicht so sein Ding. „Es macht mir aber viel Spaß, meine Rolle zu entwickeln und das dann zuerst dem Regisseur und später auch dem Publikum zu präsentieren“, sagt er. Seine besondere Aufgabe diesmal: Er wird bei „Cyrano de Bergerac“ einen schlechten Schauspieler mimen.

Bei uns hält man zusammen, denn es geht nur gemeinsam

Gabi Gräbling

Auf der Freilichtbühne müsse man mit Wind und Wetter und immer stärker auch mit der Hitze im Sommer zurechtkommen, erzählt Stefanie Fleischer, die wie ihr Sohn Julian im Jugendstück „Der Zauberer von Oz“ (Bühnenfassung: Peter W. Hermanns; Regie: Sybille Denker) auftreten wird. Umso wichtiger also, dass das Team funktioniert: Dazu gehören neben den Schauspielern, der Maske und den Regisseuren die Mitglieder von Bühnenbau (sie setzen die Entwürfe des professionellen Bühnenbildners um), Nähstube (sie fertigen die Kostüme für die perfekte Illusion; mittlerweile gibt es bereits rund 4000 Kostüme), Technik (was wäre ein Theater ohne Licht und Ton?), Kiosk (für die Verpflegung der Besucher) und Vorstand (beschließt unter anderem die Stückauswahl).

Bühnen-Müdigkeit gibt es bei den Gräblings nicht, sie wollen auch künftig zum Erfolg der Festspiele beitragen. Für den 13-jährigen Julian heißt das: „Wir möchten ein gelungenes Stück abliefern und eine gute Show bieten, so dass sich die Besucher gut unterhalten fühlen.“

Mehr Informationen

Die Festspiele Breisach zählen zu den fünf großen Freilichtbühnen in Baden-Württemberg, die 748 Zuschauerplätze sind überdacht. In der Spielzeit von Juni bis September werden jeweils zwei Theaterstücke an den Wochenenden auf der wunderschönen Freilichtbühne auf dem Breisacher Schlossberg aufgeführt. Tickets und weitere Infos unter www.festspiele-breisach.de 

Festspiele 2024

Premiere des Abendstücks „Cyrano de Bergerac“ ist am 8. Juni 2024 um 20 Uhr (18 weitere Termine samstags- und sonntagabends), das Jugendstück „Der Zauberer von Oz“ ist ab 16. Juni 2024 um 15 Uhr an neun weiteren Terminen zu sehen (und zusätzlich am 30. August um 19 Uhr). Tickets und weitere Infos unter www.festspiele-breisach.de

Viele weitere Tipps zu Schwarzwälder Theateraufführungen gibt es unter www.schwarzwald-tourismus.info/theater

Text: Michael Gilg

Fotos: Festspiele Breisach e.V., Schwarzwald Tourismus