18.03.2020

Der Belchen - König des Schwarzwalds

Badischer Belchen, Kleiner und Großer Belchen, Jura- und Elsässer Belchen: Ist die Namensgleichheit der fünf Belchen in der Region mehr als nur eine rein zufällige Übereinstimmung? Zwischen Schwarzwald, Jura und Vogesen geht der Belchismus um. 

Belchen Ausblick

Ausblick vom Belchen – © Chris Keller / STG

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Keltischer Sonnenkalender
Der einer Johann-Peter-Hebel-Schrift entnommene Begriff "Belchen" steht für eine Theorie, die darauf basiert, dass sich am kalendarischen Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winteranfang der Sonnenstand in Beziehung zu vier der fünf Belchenberge im Dreiecksland setzen lässt. "Das kann kein Zufall sein", meinen Walter Eichin (Lörrach) und Andreas Bohnert (Karlsruhe), die Entdecker des von ihnen so genannten Belchensystems. Der pensionierte Lehrer und der wissenschaftliche Assistent sind überzeugt, auf ein Geheimnis keltischer Druiden gestoßen zu sein.  

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Danach könnte es so gewesen sein, dass sich Priester der vorgermanischen Siedler, die sich im zweiten vorchristlichen Jahrhundert am südlichen Oberrhein niedergelassen hatten, zur Zeit der Tagundnachtgleiche im März und September sowie an Mittsommer und -winter im Juni und Dezember in den Vogesen auf den 1247 Meter hohen Elsässer Belchen gestiegen sind und anhand der aufgehenden Sonne mit Hilfe eines benachbarten Belchengipfels taggenau die jahreszeitliche Wende bestimmt haben. Eichin ist sich sicher: "Bei den korrespondierenden Belchen muss es sich um ein großräumiges Beobachtungssystem für den Sonnenkalender der Kelten gehandelt haben."


Belchensystem im Dreieckland
Die Beobachtungen und Messungen der beiden Privatforscher führten in der Tat zu einem verblüffenden Resultat: Immer vom Elsässer Belchen (Ballon d'Alsace) aus gesehen geht die Sonne am 21. März und 23. September über dem Luftlinie 73 Kilometer ostwärts gelegenen Schwarzwald-Belchen (1414 Meter) und am 22. Dezember über dem südostwärts 88 Kilometer entfernten Jura-Belchen (1123 Meter) auf.

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Sonnenaufgangsfixpunkt am 21. Juni ist der 27 Kilometer nahe Kleine Belchen (Petit Ballon, 1267 Meter). Zum System gehört auch der benachbarte Große Belchen (Grand Ballon, 1424 Meter), über dessen Gipfel sich die Sonne am 1. Mai erhebt und damit just zu einem Tag, an dem schon die Kelten feierten.


Belenus - Lichtgott
Die Namensgleichheit der fünf markanten Mittelgebirgserhebungen hatte Eichin auf die Idee gebracht, dass dahinter mehr als eine nur zufällige Übereinstimmung stecken könnte. Wie andere zweifelte er die von Sprachwissenschaftlern besonders seit den dreißiger Jahren bevorzugte Auffassung an, dass der Belchen-Name aus dem Alemannischen stamme, und griff die These vom keltischen Ursprung auf.  

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Danach sollen die Berge nach Belenus oder Belakus, dem Sonnengott der Kelten, benannt worden sein. Als sich Eichin und seinem Co-Autor Bohnert, der die astronomischen Daten berechnete, die Zusammenhänge zwischen Sonnenstand und Kalendermarken enthüllten, war für beide klar: Die Druiden haben die für ihre Zwecke günstig gelegenen Gipfel als Kalenderberge genutzt und mit dem Namen ihres Lichtgottes versehen.


Das Rätselraten geht weiter
Das reizvolle Beziehungsgeflecht zwischen Belchen, Kelten und Sonne ist nicht unumstritten. Kritiker vermissen vor allem handfeste archäologische Beweise, ohne die ihnen das Belchensystem wissenschaftlich nicht vertretbar erscheint. Es gibt aber ebenso überzeugte Belchisten, denen die Belchismus-Theorie einleuchtet.

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Ihnen neigt auch der Basler Kantonsarchäologe Rolf D'Aujourd'hui zu, der daran erinnert, dass für vergangene Hochkulturen Sonne, Mond und Sterne die wichtigsten Orientierungspunkte waren. Der Wissenschaftler geht inzwischen der Frage nach, ob sich in das belchenbezogene Visierliniennetz auch prähistorische Fundstellen im Dreiländereck einbeziehen lassen. Erste Hinweise auf die astronomische Ausrichtung früherer Oberrheinsiedlungen nähren die Vermutung.