Der Unterschied ist auffallend, wenn man die Dörfer an der Pfinz besucht.
Da liegt abseits in einem Seitental fast versteckt der unauffällige Ort Wöschbach und grüßt seine Besucher mit vielen steinernen Kreuzen am Dorfeingang und entlang der langgestreckten Lebensader des früheren Reihendorfes. Sogar noch zahlreicher in der Nachbargemeinde Jöhlingen vertreten, stellen diese Kreuze ein Bindeglied dar, welches an die gemeinsame Geschichte der Gemeinden verweist. Wie ein Brückenkopf ragte die schmale Gemarkung von Wöschbach in den Besitz der umgebenden reicheren Nachbargemeinden hinein.
Seit der Reformation war die enge Verbindung zwischen geistlicher und weltlicher Macht am Glauben der Untertanen ablesbar: 'Cuius regio - eius religio' (zu deutsch: wessen Land - dessen Religion) hieß die Parole. Und da war man in der Nähe zu Baden-Durlach eben lutherisch, in Wöschbach als Kirchfiliale der Muttergemeinde Jöhlingen aber wurde katholisch gelebt, weit abgelegen von der weltlichen und kirchlichen Macht, den Fürstbischöfen des Bistums Speyer. Von Ferne drangen die Zeitläufe der großen Welt in die ländliche Überschaubarkeit.
Da rüttelte die Zeit der Aufklärung und besonders der französischen Revolution von 1789 an alten Privilegien. Das Erwachen des Bürgertums bewirkte eine Beschneidung, vor allem der kirchlichen Autoritäten. Die Jahreszahl 1791 auf den Kreuzen Nr. 4 und Nr. 5 verweist auf die revolutionären Ereignisse im nahen Frankreich. Die Säkularisation von 1803 drängte den Einfluss der Kirchen noch weiter zurück. Jede politische Bewegung erzeugt aber eine Gegenbewegung. So wurden besonders in katholischen Landen im Verlauf des 19. Jahrhunderts viele Straßen- und Feldkreuze errichtet - gestiftet meist von einflussreichen Familien im Dorf. Die Zeit liegt so weit noch nicht zurück, wo ein erheblicher Teil der Eigenversorgung durch intensiven Anbau der dorfnahen Feldfluren erzeugt wurde. Hier wurde auch zu den Tageszeiten, die vom Geläut der Kirchenglocken angezeigt wurden, gebetet. Die Arbeit ruhte solange auf dem Feld, bis der 'Engel des Herrn' oder das Abendgebet gesprochen war. Das religiöse Leben der Kirchengemeinde war viel mehr am Jahreslauf angelehnt als heute. Die Prozession der Gläubigen an den kirchlichen Hochfesten Fronleichnam und Christi Himmelfahrt führte immer durch das Dorf und in die nahe Feldflur. Dort wurde der Segen für eine gute Ernte gesprochen und der Schutz vor Unwetter erbeten.
Der Kreuz-Wanderweg um Wöschbach führt seine Besucher an verschiedenen Typen der Straßen-, Andachts-, Wege- und Feldkreuze vorbei. Der Standort am Ausgang des Dorfes forderte zum Gebet auf. Der Weg in die nächste Gemeinde oder Stadt kam meist einer Tagesreise gleich. Da war Gottes Segen für glückliche Rückkehr ebenso nötig, wie die Schutzbitte vor den Gefahren des Weges. Wegekreuze stehen oft an der Gemarkungsgrenze zur Nachbargemeinde an alten Verbindungswegen, die zu Fuß oder mit Vieh und Wagen zurück gelegt wurden. Wegekreuze haben zwei Funktionen: Sie sind Zeichen des Abschieds beim Verlassen der Heimat und Zeichen des Willkommens bei der Heimkehr. An dieser Stelle werden Bitten und Dank ausgesprochen.
Immer wieder fordern die Kreuzinschriften zum Gebet auf. Jede Inschrift weist darauf hin, dass der Mensch bei aller irdischen Tätigkeit nicht den Anfang und das Ziel seines Lebens vergessen soll. Die Zeile 'Steh still, o Wandersmann!' (lateinisch: Sta Viator) eröffnet viele Widmungssprüche als Aufforderung sich vom Irdischen zu lösen und zum Geistigen zu kommen, denn das gesprochene Gebet hat Kraft. Es entspringt dem Glauben und kommt am Ort des Vorbeigehens zur Wirkung. Das Geflecht der vielen täglich gesprochenen Gebete und Bitten, Fürbitten und Segenswünsche erwirkt vor Ort einen geistigen Raum.
Wo das Kreuz steht, da bemühen sich Menschen, nach dem Wort Gottes zu leben, da sind Fremde willkommen, da wird den Schwachen geholfen, den Bedürftigen wird gegeben - so lautet der Anspruch an uns alle. Wo das Kreuz steht, da werden Gebete gesprochen, da geht der Segen mit auf den Weg, da bewirkt die Schutzbitte einen Schutzmantel, da bewirkt der Dank für glückliche Heimkehr Freude - und das überträgt sich auch heute noch auf uns. An diese segensreiche Tradition können sich getrost alle anfügen, die auf dieser Wanderung unsere schöne Landschaft in sich aufnehmen. Sie stehen dann in einer guten Verbindung zu all denen, die vor uns hier auf dem Weg waren, in die Ferne gegangen sind und wieder nach Hause kamen. Und sie schaffen eine Brücke zu denen, die nach uns hier gehen und stehen.
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