Container

Ein wenig gleicht die Entstehungsgeschichte des Öko Wein- und Sektguts Gretzmeier mitsamt Strauße und Brennerei einem unsichtbaren riesigen Mycel: Dieses besteht aus fadenförmigen Zellen, die sich als verzweigendes Pilzgeflecht im Boden in pflanzlichen Geweben ausbreiten. Alles hängt also irgendwie mit allem zusammen. Das passt bestens zum Trüffelanbau, für den die Gretzmeiers - neben Wein, Bränden und besten Erzeugnissen aus ökologischem Landbau - weit über die Region hinaus bekannt sind.

Heinrich Gretzmeier fand als gelernter Gärtner-Meister gefallen an Streuobst und Weinanbau. 1986 gründet der gebürtige Merdinger mit seinem Leitsatz „Qualität statt Quantität“ sein eigenes Weingut Gretzmeier. Gemeinsam mit seiner Frau Elli – die Beiden sind seit 1978 verheiratet – beginnt eine Ära voller Arbeit und Disziplin. „Die ersten zehn Jahre waren knackig: Weingut gegründet, Keller gebaut, sehr viel Reben gekauft, Strauße gebaut, Haus gebaut, Flaschenlager gebaut und dazu noch drei Kinder“, erzählt Heinrich Gretzmeier in einer Mischung aus Bescheidenheit und Stolz. „Na ja, die Kinder hast Du eigentlich alleine großgezogen“, schiebt er nach und lächelt Elli sanft an. Es war dieser Kompromiss, den sie sich damals neben ihrer Liebe geschworen haben. Sie: „Er war quasi 20 Jahre lang jedes Wochenende auf Messen, in Frankfurt, Köln, München und im Ausland. Und unter der Woche den ganzen Tag am Arbeiten.“ Es muss eine wahnsinnig entbehrungsreiche Zeit gewesen sein. Keine Rede von Work-Life-Balance und Me-Time.

Aber der anstrengende Weg hat sich gelohnt. Ziel war es, alles vom eigenen Hof zu beziehen, sich frei und unabhängig zu machen – gerade Öl und Gas wollten sie nicht zukaufen, also haben sie mutig schon vor mehr als 20 Jahren viel Geld in Solarenergie gesteckt. „Wir waren damals wahrscheinlich einer der ersten Betriebe in Europa, die eine Brennerei mit Solarenergie unterhalten haben. Wenn heute die Sonne scheint, dann können wir 600-800 Liter Maische abdestillieren – ohne fossile Brennstoffe.“ Mit dem mitunter abgedroschenen, weil fast inflationär verwendeten Begriff „Nachhaltig“ wollen sich die Gretzmeiers nicht schmücken, das ist für ihren ökologischen Betrieb selbstverständlich. „Wir sind mehr als CO2-neutral“, schiebt Heinrich erklärend hinterher. Nahezu das Vierfache an benötigter Energie erwirtschaftet er heute dank abbezahlter Solar- und Photovoltaik-Anlagen. Der Betrieb erstreckt sich auf drei Standorte in Merdingen: der Kellerei im Gewerbegebiet, der Sektkellerei und Werkstatt im Dorf und natürlich dem Stammhaus in der Wolfshöhle.

„Nun sitzen täglich vier Generationen um Punkt 12 Uhr am Tisch und essen gemeinsam zu Mittag“, schwärmt Heinrich, „das ist uns ganz wichtig! Alles von Elli gekocht, aus eigenen Zutaten, nur Mehl und Fleisch kaufen wir dazu.“ Bitterzart schiebt er hinterher: „Wenn ich damals mal wieder durchs Dorf gelaufen bin, habe ich gehofft, dass mich meine Kinder noch erkennen. So oft war ich weg.“ Während er seinen riesigen Kundenstamm aufbaute, kümmerte sich Elli um die 1989 gegründete Straußenwirtschaft. Vor etwa drei Jahren haben die Beiden das mühsam erarbeitete Erbe weitergegeben an ihre Kinder: Jakob und seine Frau Elena führen nun das Weingut und die Strauße, Titus kümmert sich um den Außenbetrieb. Die Qualität zieht sich durch die Generationen hindurch. Jeder hat seinen eigenen, klar abgesteckten Bereich. „Das funktioniert jetzt hervorragend. Früher, als die Arbeitsaufteilung noch nicht so klar war, war das Stress hoch drei“, meint Heinrich und ergänzt: „Es war uns klar, dass wir die Generationennachfolge früh regeln. Unsere Kinder sind top ausgebildete Leute, wenn wir länger gewartet hätten, hätten wir zusehen müssen, wie sie fremde Betriebe führen.“

Langweilig wird den Beiden natürlich ohnehin nicht. „Jetzt haben wir endlich Zeit, uns richtig auf den Tuber, besser bekannt als Trüffel, zu konzentrieren“, sagt Heinrich. Seit ein paar Jahren haben die Gretzmeiers Trüffel auf ihrer Speisekarte. „Die Kombination ist unschlagbar: Neben Spargel und Erdbeeren brauchten wir ein Zugpferd – das haben wir nun mit dem Trüffel.“ Elli liebt den „tollen Pilz“. Allein das Suchen macht ihr Spaß, denn sie ist zuständig für die gut ausgebildeten Trüffelhunde Alba und Lotte. „Man kann aus Trüffeln eine besondere Soße zaubern, auf Flammkuchen geben, auch die Trüffelbutter ist genial. Wenn ich so sehe, was die gute Gastronomie daraus macht, etwa Maultaschen, dann macht mir das Freude. Denn die Gastronomen möchten absolut frischen Trüffel und das bekommen sie bei uns direkt vor der Haustür.“ 

Aber wie kam denn eigentlich der Trüffel nach Merdingen? Im Jahr 2001 war Heinrich auf einer Agrarmesse in Frankreich, dort wollte er eigentlich seine letzten Groschen für ein paar schöne Haselnuss-Pflanzen ausgeben. Was er auch tat. Dem Französischen nicht mächtig, begriff er zunächst nicht, was auf den Banderolen der Sträucher stand. Erst ein paar Jahre später schoss es ihm bei der Lektüre eines Pilzbuches durch Mark und Bein. Das Wörtchen „Tuber“ stand auf den vermeintlichen Haselnuss-Banderolen. Dann ging es los mit der Recherche und er stellte fest, dass er trüffelinfizierte Haselnussstauden mit nach Hause gebracht hatte.

„Man darf von Anfang an keinen Fehler machen beim Trüffelanbau, es ist sehr viel Arbeit. Wir sind entgegen der Empfehlung von Plantagen-Bauern ganz andere Wege gegangen, darauf sind wir sehr stolz. Im Wald entstand über 100 Jahre ein eigenes System, und das zu übertragen auf Plantagen oder Felder funktioniert nicht.“ Goldstandard im System Gretzmeier ist die Erfahrung und das Tüfteln.

Auf rund sieben Hektar stehen heute seine sorgsam gepflegten Eichen, Hainbuchen, Linden, Rotbuchen, Haselnussbäume und -sträucher, die in einer Symbiose mit den Trüffelpilzen leben, die an ihren Wurzeln gedeihen. Bis zur ersten Ernte an den Wirtspflanzen dauert es rund sieben Jahre, manchmal auch länger. Den Ertrag verkauft der Trüffelexperte neben den Gerichten in der familieneigenen Straußenwirtschaft an die Weinkunden seiner Kinder.

Heinrich schmunzelt und bekommt große Augen: „Wir tüfteln aber schon wieder an neuen Projekten!“ Heinrich und Elli zählen auf: Indianer-Bananen, Feigen-Chutney, grüne Walnüsse, Holunderblütensirup in Bio-Qualität; dazu Cuvée Levi (heimischer Bio Traubensaft) und Cuvée Tilda (heimischer Bio Mischsaft), benannt nach den Enkeln.

Auf die Frage, woher sie ihre Motivation für eine derartige Arbeitsleistung nehmen, antwortet Elli: „Wir sind einfach eine gastfreundliche Familie, wir haben gerne Leute bei uns. Das spüren unsere Gäste, sonst würde es nicht funktionieren und es käme auch die nächste Generation nicht vorbei.“ Heinrich wirkt ein bisschen grüblerisch: „Es sind so viele Freundschaften aus diesem Unternehmen entstanden, das ist klasse. Ich sage immer: Gesunder Boden, gesunder Wein, gesunder Mensch! Wenn der Boden belebt ist, dann ist auch die Familie belebt, dann ist der Keller belebt, ist alles belebt.“

Alles hängt also irgendwie mit allem zusammen, das zeigt auch ein weiteres Beispiel, das Heinrich anfügt: „Zu einem guten Wein gehört aus meiner Sicht unbedingt ein Naturkorken. Würden plötzlich alle Winzer auf Kunststoffkorken setzen, geriete beispielsweise die über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft für Kork in Portugal in Schieflage mit großen Problemen für die dortigen Familien-Betriebe. Es geht überall um den Erhalt der Kulturlandschaften.“

Text: Jens Großkreuz

Fotos: Jens Großkreuz/Schwarzwald Tourismus