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Nicht darüber nachdenken was ich NICHT kann, sondern tun was ich KANN.

Lebensmotto von Esther Weber

Bist du eine echte Schwarzwälderin?

Ich bin 1967 in Waldkirch geboren und aufgewachsen und bin später nach Bleibach gezogen. Meine Mutter kommt ursprünglich aus Norddeutschland, weshalb ich vielleicht auch eine Affinität für Wasser habe.

Wie kam es zu dem schweren Unfall?

Ich war als junges Mädel mit meinen Freunden im Auto unterwegs. Zwei junge Männer saßen vorn, meine Schwester und meine französische Freundin mit mir auf der Rückbank. Es war kein Alkohol im Spiel, aber wir waren einfach zu schnell unterwegs. Der Fahrer war unaufmerksam, das Auto überschlug sich. In der Kurve landete das Auto auf dem Dach. Alle vier sind aus dem Auto gestiegen, nur ich bin liegen geblieben, da ich mir meinen Halswirbel gebrochen hatte. Ich hatte ab dem Moment kein Gefühl mehr in den Beinen und eine hohe Lähmung auch in den Händen.

Das ist ein sehr dramatisches Ereignis in so jungen Jahren. Wie bist du damit umgegangen?

Natürlich wollte ich nie in der Situation sein, aber für mich war Behinderung nie etwas Schlimmes. Ich hatte sogar das Gefühl, dass ich darauf vorbereitet worden bin. Noch vor meinem Unfall hatte ich einen Kinofilm gesehen, eine Biografie über die Amerikanerin Joni Eareckson Tada, die nach einem Badeunfall querschnittgelähmt war. Ich durfte sie in Sydney bei den Paralympics kennenlernen und habe gespürt, dass sie eine unglaubliche Lebensfreude hat und dass man auch mit einer Behinderung scheinbar ein glückliches Leben führen kann. Joni Eareckson Tada ist verheiratet, eine tolle Frau, sie singt und malt mit dem Mund. Sie ist ein Vorbild für ganz viele Menschen, mit und ohne Behinderung. Die Bilder aus diesem Film haben mich immer positiv gestimmt, als ich ein dreiviertel Jahr in der Klinik im Querschnittszentrum war. Ich wusste, das Leben geht weiter, auch wenn ich nicht genau wusste wie.

Du warst schon immer sehr sportlich. Wie hat sich deine Leidenschaft für Sport nach deinem Unfall geändert?

Ich habe bis vor meinem Unfall von Montag bis Sonntag Sport gemacht: von Leichtathletik, Turnen über Tennis bis hin zu Ballett. Während meines Klinikaufenthalts kam ich in Berührung mit Rollstuhlsportarten. Ich habe einfach alles ausprobiert: Rollstuhlbasketball, Rollstuhltanzen, Rollstuhltischtennis usw. Nach meinem Klinikaufenthalt hab ich geschaut, welche Möglichkeiten es im Elztal nahe meines Wohnorts gibt. Damals hab ich dann Bruno Stratz kennengelernt, der ebenfalls Rollstuhlsport gemacht hat. Er hat mich anfangs immer aus Simonswald kommend in Kollnau mitgenommen zum Rollstuhlsport nach Freiburg. Ich spürte aber, dass das noch nicht mein Sport war, da ich durch meine Lähmung in den Händen wenig Kraft habe. Dann kam ich in Berührung mit dem Rollstuhlfechten, was super geklappt hat. Das Rollstuhlfechten habe ich dann 20 Jahre lang im Leistungssport praktiziert.

 

Du hast dir sogar mehrere Medaillen und Titel im Rollstuhlfechten geholt?

Ich habe insgesamt zehn Paralympics-Medaillen geholt, war Weltmeisterin, Europameisterin und habe somit alle Titel geholt. Bei den Paralympics 1992 in Barcelona bekam ich die Goldmedaille im Degen-Einzel, sowie Bronze im Florett-Einzel. Mein Heimat-Fechtverein ist der SV Waldkirch mit Olympiastützpunkt Freiburg. Später wurde ich auch Mitglied beim Fecht-Club Tauberbischofsheim und habe am Olympiastützpunkt Tauberbischofsheim das Rollstuhlfechten als integrative Abteilung aufgebaut.

 

Daneben bist du ja auch Mutter geworden. Wie war das?

Natürlich war das eine richtig heftige Zeit als ich Mama war. Meine Kinder sind fünf Jahre auseinander, das war mir wichtig. Es war wichtig, dass ein Kind schon mal relativ selbstständig ist. Damals gab es einfach noch nicht die Angebote und Möglichkeiten für Mobilitätseingeschränkte wie heute. Ich hatte damals noch kein umgebautes Auto. Der Vorteil ist, glaube ich, wenn man jung ist, dass man vieles unkomplizierter sieht. Wenn ich in Waldkirch ins Schwimmbad ging, gab es immer viele Treppen hoch zum Kiosk. Meine Kinder sind selbstständig zum Kiosk hochgekrabbelt und haben sich ihr Eis gekauft. Sie waren sehr früh schon sehr selbstständig.

 

Welche Erfahrungen machst du wenn du verreist?

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Ich stelle fest, dass die barrierefreien Angebote mehr werden. Was damit aber auch einhergeht ist, dass es oft hochpreisige Angebote sind. Wenn man als Familie mit Kindern eine günstige Unterkunft finden wollte war es, zumindest früher, immer schwierig.  Das nervt mich bis heute, dass es wenige günstige Ferienwohnungen oder Campingplätze gibt, die für mobilitätseingeschränkte Menschen wichtig wären. In großen Hotels ist das meistens einfacher. Eine weitere Erfahrung beim Reisen ist, dass es oft nicht ausreichend barrierefreie Toiletten gibt.

 
Wie sieht ein barrierefreies Hotelangebot aus?
 
Für mich als Rollstuhlfahrerin, ich kann jetzt erst mal nur von mir sprechen, geht es schon bei der Anreise los mit der Frage: Wie komme ich zum Hotel mit dem ÖPNV oder mit dem Auto? Als nächstes brauche ich einen Parkplatz mit befestigtem Weg, über welchen ich barrierefrei ins Gebäude reinkomme. Am besten ist der Zugang zum Gebäude ebenerdig und die Eingangstür leicht aufzumachen. Wichtig wäre es, wenn die Türen ausreichend breit sind, insbesondere die Tür ins Badezimmer. Außerdem wäre es schön, wenn ich an der Rezeption auf Augenhöhe zu den Angestellten sein kann und ich nicht wie ein kleines Kind am Tresen sitze und nicht gesehen werde. Dann brauche ich ein Zimmer mit Bewegungsfreiheit, mit Balkon ohne Türschwelle, eine barrierefreie Dusche mit Klappsitz oder Hocker.
 

Hast du Lieblingsplätze im Schwarzwald?

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Ich bin sehr gern in Titisee unten am Ufer. Da habe ich allerdings das Problem, dass der Rollstuhlparkplatz am See fehlt. Die Parkplätze liegen auf der anderen Seite der Gleise und sind nur über ein Gefälle erreichbar. Runter komme ich gut, aber von der Seeseite aus komme ich nicht mehr hoch. Ein weiteres Lieblingsziel ist der Windgfällweiher. Eine Freundin hatte mich mal dorthin vor zehn Jahren eingeladen zum Stand-up-Paddling bzw. „Sitting-Paddling“. Dann saß mein Assistenzhund vorne auf dem Board mit drauf und ich konnte paddeln, das war toll. Außerdem gibt es am Schluchsee noch sogenannte Minisegler. Das ist ein hervorragendes Angebot gerade für Menschen mit Mobilitätseinschränkung.

 Bist du gern in Begleitung unterwegs oder lieber allein?
 
Sowohl als auch, aber ich bin sehr gern auch allein unterwegs. Daher wünsche ich mir noch mehr Möglichkeiten, mich allein im Schwarzwald zu bewegen. Mit meinem "Stricker-Lipo Lomo Pico", ich nenne es „kleine Harley“, einer Art Aufsatz mit E-Motor für meinen Rollstuhl, habe ich Gott sei Dank viel mehr Möglichkeiten als früher. Ideal wäre, wenn man solche Zusatzantriebe und andere Hilfsmittel beim Gastgeber ausleihen könnte. Es gibt mittlerweile auch Dreiräder, ich nenne das „große Harley“, die eine dicke Bereifung haben mit welcher man super auf Feldwegen vorwärtskommt.

Was genau sind deine Aufgaben in der Geschäftsstelle Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Landkreis Emmendingen?

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Seit 2013 arbeitet Bruno Stratz als allererster Behindertenbeauftragter in Baden-Württemberg. Seit 2016 bin ich im Landkreis Emmendingen die Geschäftsstellenleitung von Bruno Stratz. Meine Hauptaufgabe besteht darin, mich um die Belange von Menschen mit Behinderung zu kümmern. Das geht los bei Anfragen zu Behindertenparkplätzen, zum Beispiel, wenn ein Mieter seinen angemieteten Parkplatz in einen Behindertenparklatz umwandeln möchte. Dann geht es auch mal um schulische Anfragen, um die Themen Wohnen und Arbeiten. Der Landkreis Emmendingen hat 24 Städte und Gemeinden, die wir jeweils barrierefreier machen möchten.
 
 
Seit Januar 2020 ist das bundesweite Zertifizierung-System für „Reisen für Alle“ offiziell in Baden-Württemberg eingeführt. Die Schwarzwald Tourismus GmbH hat eine Unterlizenz erworben, um „Erheber-Schulungen“ zu organisieren. Du selbst bist auch eine Erheberin. Was genau ist deine Aufgabe?

Ich habe die Erheberschulung zusammen mit Bruno Stratz gemacht und finde das sehr sinnvoll. Damit werden verschiedene touristische Angebote auf Barrierefreiheit geprüft, bevor sie letztlich das Label bzw. die Lizenz dafür bekommen. Das geht dann bei der Anreise los und geht weiter über den Parkplatz bis hin zum Gebäudeeingang und den verschiedenen Angeboten vor Ort. Nur so können wir Gästen im Schwarzwald einen barrierefreien Schwarzwaldurlaub gewähren bzw. empfehlen. Ich wünsche mir, dass diese Angebote stetig wachsen.