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Du hast einen Bollenhut auf und eine Art Schwarzwälder Tracht an. Wieso gerade dieses Outfit?

Bei einer Drag Queen redet man grundsätzlich vom Fummel. Mein Fummel besteht aus einem Bollenhut, aus einem an der Schwarzwälder Tracht angelehnten Dirndl, von denen ich übrigens ganz viele habe. Und dann hab ich meistens Pumps an, außer auf Stadtführungen. Ich möchte mit meinem Auftreten, Schaffen und Tun aber auf keinen Fall die Tradition oder den Schwarzwald diffamieren oder aufs Korn nehmen. Betty BBQ ist eine liebevolle Persiflage auf meine Heimat und meine Region mit ganz viel Herz und einem Augenzwinkern. Der Schwarzwald ist meine Heimat und ich schwätz´auch alemannisch, vor allem im Privaten.

Wie lange brauchst Du, um Dich zurecht zu machen?

Ich brauche dafür gemütliche zwei Stunden Zeit. Die Zeit nehme ich mir auch, weil dann ruft mal die Mutti an oder ich vermale mich mal… Ich will da einfach nicht in Stress geraten. Ich mache mich gern ganz entspannt fertig.

Bist Du ein Freiburger "Bobbele"?

Ich bin tatsächlich im St. Elisabeth-Krankenhaus in Freiburg geboren, also bin ich laut Definition ein echtes Freiburger "Bobbele". Aufgewachsen bin ich in den 1990er Jahren aber auf dem Land, mitten im Schwarzwald. Erst mit 17 Jahren bin ich dann nach Freiburg umgezogen. Ich lebe also die meiste Zeit meines Lebens wieder in Freiburg.

Du hast früh gemerkt, dass Du irgendwie anders bist. Wie war das Dorfleben für Dich? 

Das Anderssein war definitiv da. Ich wusste damals aber gar nicht, was bei mir anders ist und wusste auch nicht, dass es okay ist, anders zu sein. Ich hab mich schon als Kind nicht wohlgefühlt in meiner Haut. Auf dem Land tut man sich da manchmal einfach schwerer und daher war ich auch ziemlich ausgeschlossen. In der Schule wurde ich auch gemobbt. Da blieb mir nur die Möglichkeit, in die nächstgrößere Stadt zu ziehen, das war Freiburg. Da habe ich mich selbst gefunden und mich als schwuler Mann geoutet. Erst dann hatte ich die Kraft und Inspiration, in Frauenrollen zu schlüpfen, in welcher durch Zufall dann die Kunstfigur Betty BBQ entstand.

Inwiefern warst du anders?

Das kann ich bis heute gar nicht so genau sagen. Ich wusste früher noch gar nicht, was mit mir los ist. Dass ich als Mann auf Männer stehe, das hat damals noch keine Rolle gespielt. Ich war ja zum Teil noch ein Kind.  Das zeigt mir aber auch, dass das Anderssein nicht immer etwas mit Sexualität zu tun hat.  Homosexuell zu sein hat auch nicht unbedingt mit Sexualität zu tun. Ich hab das dann alles erst in der Stadt kennengelernt und gelernt, das für mich anzunehmen. Meine Sexualität hat auch mit meinem Job als Drag Queen bzw. Travestiekünstlerin nichts zu tun. Es hat oft einen queeren Hintergrund, aber man muss nicht unbedingt homosexuell sein um Drag Queen zu sein.

Was ist eigentlich eine Drag Queen und wie kam es zur Kunstfigur Betty BBQ?

Eine Drag Queen ist quasi ein Mann, der auf übertriebene Art und Weise eine Frau darstellt. Früher nannte man sie „Damenimitator“. Ich sehe mich als ein bunter, schwuler Mann, der Freude daran hat, von Zeit zu Zeit in eine Frauenrolle zu schlüpfen, in diesem Fall ist das Fräulein Betty BBQ. Im Prinzip war ich schon immer gern zur Fasnet als Frau verkleidet und kam auch sehr gut an. Betty BBQ ist quasi mein „Häs“, meine Fasnet-Verkleidung. Ein Narr und eine Drag Queen haben sogar sehr viel gemeinsam: Wir halten der Gesellschaft den Spiegel vor. Ich bin jedes Jahr zu Fasnet in eine andere Frauenrolle geschlüpft. Mal war ich Fräulein Rottenmeier, die Venus, eine 20er-Jahre-Witwe usw. Und dann kam irgendwann einer zu mir und sagte, dass ich das so gut mache und ob ich nicht eine Drag Queen sein will, da Freiburg noch keine hatte. Ich hab dann darüber nachgedacht und mit Kolleginnen gesprochen und einfach angefangen. Irgendwann hat es eingeschlagen wie eine Bombe und dann musste ich mich entscheiden, wie es beruflich weitergeht.

Du hattest einen festen Vollzeitjob?

Richtig, ich war in meinem Bürojob auch recht glücklich witzigerweise. Aber dann wurde Betty immer mehr und mehr und dann musste ich mich entscheiden. Letztendlich hab ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Zum einen ist das Showgeschäft das härteste der Welt, sagt man nicht umsonst, zum anderen reicht es in der Anfangszeit nicht zum Überleben. Aber die Aufträge waren schon so viel, dass ich keinen 42-Stunden-Job mehr machen konnte. Als ich immer erfolgreicher wurde, musste ich mir ein Management einstellen, vor Corona waren wir zuletzt zehn Mitarbeiter.

Du musst dich auch mit Anfeindungen herumschlagen. Wie gehst du damit um?

Zunächst einmal hat man natürlich mit Homophobie zu tun. Und dann sind es natürlich auch konservative Stimmen, die sagen, ein Mann sollte keinen Bollenhut tragen und erst recht nicht in Freiburg. Das begegnet mir auch heute immer wieder. Aber ich muss dazu sagen, dass es mittlerweile nur ein ganz kleiner Teil ist. Bei fast 10.000 Gästen im Jahr gibt es schon mal 10.000 Menschen, denen es gefällt, was ich mache und daran halte ich mich fest. Der Schwarzwald verändert sich und der Bollenhut ist nicht mehr nur eine Tracht. Er ist eins der größten Geschenke, die wir hier in der Region haben. Wir sind die einzige Touristenregion in Deutschland, die so ein Markenzeichen hat. Jeder, der das sieht, verbindet den Bollenhut mit dem Schwarzwald. Ich finde das großartig und bin stolz, eine Botschafterin für den Schwarzwald zu sein.

Fräulein Betty BBQ bietet Stadtführungen durch die Altstadt von Freiburg an.
Fräulein Betty BBQ bietet Stadtführungen durch die Altstadt von Freiburg an. – © Riesterer / Schwarzwald Tourismus

 

Was bedeutet der Begriff Heimat für Dich?

Heimat ist eigentlich ein sehr variabler Begriff. Heimat ist immer das, wo man sich zu Hause fühlt. Dementsprechend ist das auch ein diverser Begriff: Heimat kann jeder Ort auf der Erde sein für Jeden auf der Erde. Ich glaube, wenn man das verstanden hat, ist man ein großes Stück weiter und dafür stehe ich. Heimat ist nicht nur schwarzweiß. Jeder, der sich hier zu Hause fühlen möchte, der darf das auch. Für mich bedeutet Patriotismus oder Heimatstolz auch, diese Heimat anderen zugänglich zu machen und offen zu sein. Egal ob das bedeutet, Tradition zu vermitteln, oder andere bei Traditionen mitmachen zu lassen. Oder ob man einfach auch niemanden ausschließt und sich bemüht, divers zu sein. Da sind wir aber auf einem guten Weg. Ich wurde schon mal in einem anderen Interview gefragt, was mir der Begriff Heimat bedeutet und da wurde mir vieles klar. Ich hatte damals gesagt, dass ich mich immer als Heimatvertriebener gesehen habe, obwohl mir das gar nicht so bewusst war, weil man mich nie irgendwo hat mitmachen lassen, ich mich nie zu Hause gefühlt habe. Erst die Kunstfigur Betty BBQ hat es für mich privat erlaubt, alles wieder zurückzuerobern.

„Hallöchen, Hallöchen Freiburg! – Die Travestie City-Tour mit Betty BBQ“, so heißt Deine Stadtführung. Was kann der Gast dabei erleben?

Wenn man mit einer Drag Queen unterwegs ist, wird es nicht nur trocken historisch, sondern ich erzähle auch mal die ein oder andere interessante Geschichte aus meinem Leben. Aber natürlich gibt es auch sehr viel über die Stadt als solche zu erfahren. Da geht es unter anderem um das Nachtleben, um Persönlichkeiten, die Freiburg geprägt haben. Wer sich nicht nur für Jahreszahlen interessiert, sondern einfach was über Freiburg mit historischem Streifzug erfahren möchte, der ist auf meiner Führung genau richtig.

Wann finden die Stadtführungen statt und wohin führst Du Deine Gäste?

Die Stadtführungen sind in der Regel freitags um 18.30 Uhr sowie samstags um 15 Uhr und 18.30 Uhr. Die Führungen finden bei jedem Wetter statt, führen durch schöne Gassen, mal entlang der Freiburger Bächle, mal an Kneipen vorbei zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Man erfährt auf jeden Fall etwas über Freiburg, aber wir kehren auch einmal ein, also es ist auch für das leibliche Wohl gesorgt. Es gibt auch was zu trinken, aber das wird nicht verraten... Auf alle Fälle gibt es eine Geschichte dazu. Lasst euch einfach überraschen!