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Es war höchste Zeit für die Teilnahme der Frauen bei der Nordischen Kombination im Weltverband FIS.

Svenja Würth

 

Du hast mit sieben Jahren mit dem Skisport begonnen. Wie kam es dazu? Wie waren deine Anfänge?
Ich kam schon früh damit in Berührung, da mein älterer Bruder sehr aktiv war im Skisport. Als ich angefangen habe, war ich mit Manuel Faißt in einer Trainingsgruppe. Sein Papa war unser Trainer. Damals war klar, dass wir alle Nordische Kombination machen, also Skispringen und Langlauf. Bis ich zehn und elf war, habe ich zusammen mit den Jungs trainiert und war das einzige Mädchen. Ziemlich bald gingen aber die Leistungen bei den Jungen und Mädchen zu weit auseinander. 

Dann wurde ich aufgenommen in den Kader des Deutschen Skiverbands. Damals gab es keine Nordische Kombination für Frauen und deshalb musste ich mich entscheiden, ob ich Langlaufen oder Skispringen machen möchte. Ich hab mich dann für Skispringen entschieden. Nachdem es dann aber ab der Saison 2020/21 die Nordischen Kombination für Frauen gab, die bei der WM in Oberstdorf eingeführt wurde und es auch einen Weltcup gab, hab ich mich dann dafür entschieden. Endlich konnte ich Nordische Kombiniererin sein.

 

Hast du eine Präferenz? Lieber Skispringen oder Langlauf?  

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Mir macht beides richtig viel Spaß. Im Skispringen bin ich etwas besser, weil ich das einfach die letzten Jahre gemacht hab. Das Langlaufen hatte ich anfangs etwas vernachlässigt. Ich war halt nur hobbymäßig Langlaufen.
 

Was zeichnet die Nordische Kombination aus? 
Es sind zwei Sportarten, die komplett gegensätzlich sind. Genau das macht die Nordische Kombination so spannend. Einerseits brauche ich Schnelligkeit, Kraft, Koordination fürs Skispringen und andererseits brauche ich beim Langlaufen zusätzlich Ausdauer. Deshalb ist es so schwer, in beidem gut zu sein: Trainiere ich viel Skispringen, wird das Langlaufen schlechter und umgekehrt genauso. Da muss man den perfekten Mittelweg finden und nur dann hat man eine Chance auf eine gute Platzierung.

Wäre Biathlon auch was für dich?
Oh, ich glaub dafür bin ich schon zu alt. Und ich bin mit dem Skispringen und dem Langlaufen zeitlich ganz gut ausgelastet...
 

Neu bei den FIS-Weltcups ist, dass auch die Frauen bei der Nordischen Kombination starten. Wie ist das für dich?
Ich bin der Meinung, dass es höchste Zeit war. Die Nordische Kombination für Frauen steckt noch in den Kinderschuhen. Aber es gibt auch viele, die das schon seit Jahren machen, nur war einfach nie eine Plattform da. Deshalb freut es mich, dass dieses Jahr ein Weltcup-Kalender zustande kam, auch wenn Corona-bedingt nicht alle Weltcups stattfinden konnten. 

Schön für uns ist, dass es jetzt auch in Deutschland einen Weltcup gibt, zusammen mit den Männern. Da ist das mediale Interesse einfach größer als wenn es getrennt wäre. Das Problem bestand ursprünglich darin, dass es lange gebraucht hat, bis sich das Damen-Skispringen etabliert hatte. Es hätte wenig Sinn gemacht, die Nordische Kombination und das Skispringen parallel nebeneinander aufzubauen. Deshalb hatte man sich lange aufs Skispringen konzentriert. Jetzt kann man langsam den nächsten Schritt gehen und die Nordische Kombination aufbauen.

 

Was waren bisher deine größten sportlichen Erfolge?

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Im Skispringen war es mit Sicherheit die Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft im Mixteam und ein sechster Platz im Einzel. In der Nordischen Kombination waren es leider noch nicht so viele Wettkämpfe. Bei der Weltmeisterschaft kam ich auf Platz 17. Das war für mich als Quereinsteigerin für den Anfang ganz in Ordnung. Aber es gibt insgesamt noch Luft nach oben.
 

Was waren die größten Herausforderungen in deiner sportlichen Karriere? Hattest du auch mit Verletzungen zu kämpfen?

Rückschläge gehören zum Sport genauso dazu wie Erfolge. Es gibt keine Karriere, die ohne Tiefpunkte endet. Leider hatte ich schon zwei Rückschläge. Genau vor Olympia 2014 hab ich mir einen Halswirbel zertrümmert. Da stand es eine ganze Weile in Frage, ob ich je wieder Leistungssport machen kann. Viele haben gesagt, dass ich die Skier eigentlich in die Ecke stellen kann. Medizinisch gesehen hatte alles dagegen gesprochen, weiterzumachen. Aber ich bin wieder aufgestanden, habe alle eines Besseren belehrt.

Ich bin wahnsinnig froh, dass ich wieder Sport machen kann, dass ich nicht querschnittsgelähmt bin. Ich konnte mich zurück kämpfen, auch wenn es mühsam war. Drei Jahre später konnte ich dann WM-Gold holen. Das war meine Belohnung dafür, dass ich den Kopf nicht in den Sand gesteckt habe. Genau vor Olympia 2018 habe ich mich wieder verletzt – diesmal habe ich mir in Hinterzarten beim Weltcup eine Kreuzbandverletzung zugezogen. Das war auch bitter, weil ich nicht bei Olympia teilnehmen konnte. Es hat nicht sein sollen, aber ich hab mich wieder zurückgekämpft.

 

Ist der Kampfgeist eine Charaktereigenschaft, die dich auszeichnet? Bist du deshalb neben der sportlichen Karriere noch Bundespolizistin geworden?

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Mit Sicherheit, man muss als Sportlerin ehrgeizig sein, sonst erreicht man sowieso nichts. Aber ich bin mir sicher, dass viele die Skier irgendwann weggestellt hätten. Aber mir hat es trotzdem Spaß gemacht, auch nach allem, was passiert ist. Zum Leid meiner Mutter, die vielleicht froh gewesen wäre, wenn ich den Profisport verlassen hätte. Aber mich hat immer wieder die Motivation gepackt. Bisher hat es gut funktioniert und dafür bin ich wahnsinnig dankbar. 

Klar braucht es einen gewissen Charakter, um bei der Polizei zu sein. Auch da muss ich mich Problemen stellen. Ich bin froh über die Möglichkeit, als Sportlerin nebenbei noch einen Beruf zu lernen. Ich konnte mir den Beruf Polizistin von Anfang an gut vorstellen. So hab ich die Chance genutzt, an der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf neben meiner sportlichen Karriere noch einen Beruf zu erlernen. Die Zeit während Corona hab ich genutzt, mich als Kommissarin weiterzubilden. Ich sehe es auch als Absicherung für später.
 

Du hast selbst erlebt wie es ist, wenn man wegen einer Corona-Infektion nicht bei einem Weltcup starten kann. Andere waren vor dem Start in Quarantäne. Wie geht man damit um? Wie hast du dich gefühlt? 

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Es kommt immer auf die Symptome an. Ich selbst hatte deutliche Symptome und hätte nicht trainieren können. Ich glaube, wenn man keine Symptome hat, kann man sich fit halten, so gut es eben geht. Bei Olympia wurden einigen Athleten ein Ergometer und ein paar Trainingsgeräte ins Hotelzimmer geschoben. Aber das ist trotzdem keine optimale Vorbereitung, das ist klar. Man hat es bisher auch gesehen, dass die Sportler nicht die gleiche Leistung abrufen konnten wie unter normalen Bedingungen. Ich hab auch gemerkt, wie wenig fit ich war nach meinen zwei Wochen in Quarantäne.

 

Beim FIS Weltcup Schwarzwaldpokal in Schonach waren seit Langem wieder Zuschauer zugelassen. Wie ist das für die Athleten, wenn Zuschauer vor Ort sind?

Ich kenne die Situation bisher nur vom Skispringen. Seitdem ich zur Nordischen Kombination gewechselt bin, waren eigentlich nie Zuschauer erlaubt. Aber ich glaube, dass es gerade beim Langlaufen noch mal einen Unterschied macht. Es ist anders, wenn nur die Trainer an der Strecke stehen und uns Sportlern zurufen. Aber wenn da Zuschauer sind, die Stimmung machen, ist das immer schöner für uns, egal ob an der Schanze oder beim Langlaufen.

 

Du bist Schwarzwälderin. Wo und wie bist du aufgewachsen? Was bedeutet der Begriff Heimat für dich?

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Meine Heimat ist Baiersbronn im nördlichen Schwarzwald, da bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Da hab ich meine ganzen Freunde. Ich bin auch wahnsinnig gerne dort und nutze jede Gelegenheit dazu. Es ist der Ort, an dem ich runterkommen kann. Ich bin primär aus sportlichen Gründen, wegen der Bundespolizeisportschule, nach Oberbayern gezogen. Hier hab ich einfach sehr gute Trainingsmöglichkeiten. Aber im Herzen bin ich Baiersbronnerin.

Was verbindest du mit dem Begriff Heimat?
Zum Beispiel das Essen. Wenn ich zu Hause bin, darf ich mir Essen wünschen, das ich in Bayern einfach nicht kriege. Das ist zum Beispiel der Schwarzwälder Schinken. Den nehme ich auch immer nach Oberbayern mit. Maultaschen und Spätzle gibt es auch nur daheim. Da freue ich mich immer drüber. In meiner Heimat bin ich auch gern im Schwarzwald unterwegs, lauf die Hornisgrinde hoch oder an den Ruhestein, die Schwarzwaldhochstraße hoch, weil man da eine tolle Aussicht hat. Da oben stehen ja auch die Skisprungschanzen, die mich an meine Wurzeln erinnern. 
 

 

Text:     Iris Huber
Bilder:  Svenja Würth

Die Disziplinen bestehen immer aus einer Kombination von Skispringen und Langlauf im freien Stil. Es gibt den Sprinterwettbewerb (1 Sprung von der 120 m-Schanze und 7,5 km Langlauf), den Einzelwettbewerb (2 Sprünge von der 90 m-Schanze und 15 km Langlauf) und den Mannschaftswettbewerb (4 x 2 Sprünge von der 90 m-Schanze und 4 x 5 km Langlauf). Die Sprungnote wird in Zeit umgerechnet und zum entscheidenden Langlauf starten die Teilnehmer am nächsten Tag nach der "Gundersen-Methode", das heißt mit den Abständen, die sich aus dem Springen rechnerisch ergeben haben, und sie starten in der Reihenfolge des Sprungergebnisses. Der erste, der das Ziel erreicht, ist dann auch der Sieger.

FIS Weltcup Schonach

Podcast Visitblackforest

Der Schwarzwaldpokal in Schonach hat eine langjährige Tradition im Schwarzwald. Mehr dazu gibt's hier auf die Ohren: