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Dicht gedrängt stehen die Tannen auf dem Berg jenseits des Sprossenfensters. Träge schiebt sich allmählich das nachmittägliche Sonnenlicht zwischen den Regenwolken heraus, ganz so, als überlege es noch, ob es sich heute lohnt, die Tannen, das Tal und die Anhöhen von Klosterreichenbach zu erwärmen. „Hier ist es immer ein klein wenig verhangener, dunkler und ein paar Grad kälter als weiter südlich“, sagt Angelika Steinhilper über die Ortschaft in der Gemeinde Baiersbronn, „aber ich mag das, diese raue, frische, herbe Natur“.

Die Hände sind immer in Kontakt

Angelika Steinhilper sitzt auf einem Schemel in ihrem Atelier, einem kleinen Raum mit tiefer Decke und einem Holzboden, der bei jedem Schritt knarzt. Ein alter Jugendstilofen wärmt Angelika Steinhilper an diesem kühlen Tag den Rücken, während sie Tonmasse auf einer breiten Töpferscheibe verteilt, die sie mit einem Fußpedal steuert. Gleichmäßig beginnt sie, den Ton hochzuziehen. „Wichtig ist, dass beide Hände immer miteinander in Kontakt sind“, erklärt Steinhilper und demonstriert, wie sie mit dem Daumen der linken Hand konstant den Daumen der rechten berührt, dazwischen befindet sich stabil das Objekt. Regelmäßig gibt sie etwas Wasser zu und formt so das, was einmal einen Krug ergeben soll. Dabei kontrolliert sie ab und zu mit einem Blick in einen Spiegel, der links von ihr auf einem Hocker steht, ob die Gestalt des Gefäßes gerade ist. „Ich beuge mich ja so nah über die Form, erst mit Hilfe des Spiegels sehe ich sie dann mit etwas Abstand.“

Auf dem Regal reihen sich ihre jüngsten Kreationen für Cix Ceramics, wie Steinhilper ihre Töpferlinie genannt hat. Es wirkt, als flösse der Ausblick aus ihrem Atelier auf den undurchdringlichen, stillen Wald direkt in ihre Arbeiten ein: Die Keramikschalen, Krüge, Tassen und Vasen kommen ohne Schnörkel und verspielte Details aus, „es ist eine ganz schlichte, ruhige Formensprache“, bestätigt Angelika Steinhilper. Sie brachte sich das Töpfern 2015 selbst bei, nachdem ihr Mann eine gebrauchte Töpferscheibe mit nach Hause gebracht hatte. „Sie war aus den 1970er-Jahren und stand erst einmal eine Weile bei uns in der Ecke herum, bis es mich gepackt hat“, erinnert sich Steinhilper lächelnd. Später besuchte sie auch Kurse, im Gepäck eine Menge Fragen. „Jahrelang probierte ich in den Ferien und an den Wochenenden herum, bis es zunehmend besser gelang und ich eine eigene Formensprache und Glasurtechnik entwickelt hatte.“ 

Das Farbspektrum ihrer getöpferten Alltagsgegenstände liegt im abgetönten Bereich, hat nichts Grelles an sich, sondern wirkt beinahe verwaschen: Die Cix-Ceramics-Stücke leuchten in Pistaziengrün, Sandbeige, Altrosa, Pastellgelb und Dunkelblau. „Ich habe vor einiger Zeit bäuerliche Keramik aus England entdeckt, die ihren Ursprung im 18. Jahrhundert hat“, erzählt Steinhilper. Bei dieser „spatter“, zu Deutsch „Spritzer“, oder auch „spongeware“ wurden mit einem Schwamm, englisch „sponge“, Farbsprenkel aufgetragen.

Angelika Steinhilper fand sofort Gefallen an der Technik. Im Atelier nimmt sie jetzt eine Tasse aus dem Regal und fängt an, mit einem Naturschwamm Farbe aufzutupfen. „Ich arbeite mit Engoben, einer Überzugsmasse, die ich selbst herstelle: fein vermahlener Tonschlicker mit keramischem Element“, erklärt sie.

Die Keramik wird im Keller gebrannt

Der Brennofen befindet sich im Untergeschoss des Hauses, das Angelika Steinhilper zusammen mit ihrem Mann vor 20 Jahren kaufte, um es als Ferienhaus zu nutzen. Die Familie – das Paar hat drei Kinder, zwei davon bereits erwachsen – lebt unter dem Jahr in Stuttgart, wo Angelika Steinhilper als Kunstlehrerin arbeitet. An den Wochenenden und in den Ferien renovierten sie das 400 Jahre alte Gebäude. „Wir hatten kein Wasser, keinen Storm, die Fenster und das Dach waren kaputt“, erinnert sich die Hausbesitzerin. Stück für Stück setzten sie das Gebäude instand – und tun es immer noch: „Als Nächstes ist das Fachwerkgewölbe dran, in dem der Ofen steht. Danach verlege ich mein Atelier dort hin und muss die fragilen, ungebrannten Stücke nicht mehr ein Stockwerk tiefer tragen wie bisher.“

Gerade warten einige Teile darauf, gebrannt zu werden. Der erste Schritt ist der sogenannte Schrühbrand bei 900 Grad, der 24 Stunden dauert. Danach wird glasiert und direkt wieder gebrannt, für 48 Stunden bei 1200 Grad. „Der Glasurbrand zählt zu den aufregendsten Augenblicken bei der Töpferei für mich: Man sieht dann erst wirklich, wie die Farben geworden sind, und diesen besonderen Glanz. Ich kann manchmal kaum schlafen, so gespannt bin ich.“ Was ist für sie das Besondere am Töpfern? „Zum einen das totale, stundenlange Abtauchen in eine Aufgabe und zum anderen das sichtbare Ergebnis, etwas in den Händen zu halten“, erklärt die Keramikerin.

2023 nahm sich Steinhilper ein Sabbatjahr und reiste viel, zwei Monate war sie etwa in Japan unterwegs. „Dort wird Selbstgemachtes besonders geschätzt“, erzählt sie. „Und spannenderweise auch die kleinen Fehler in den Dingen. Jede Matchatee-Schale hat eine Delle oder Unebenheit – für die Japaner ist das sogar die schöne Seite der Schale: Wenn man daraus trinkt, dreht man die fehlerhafte Seite dem Gegenüber aus Respekt zu.“ Angelika Steinhilper brachte einen ganzen Koffer mit Unikaten aus Asien mit, darunter einen Satz Holzlöffel. „Ich freue mich jeden Tag, sie zu benutzen; sie sind einfach so viel schöner als jeder Industriegegenstand.“ Das Gleiche gilt für ihr Cix-Ceramics-Geschirr, mit dem sie in der gemütlichen, in Erdfarben gehaltenen Wohnküche den Tisch gedeckt hat.

Wir trinken nun Tee aus wuchtigen Henkeltassen, die bequem in der Hand liegen. Man fühlt die leichten Erhebungen der Sprenkel, die glatte Glasur. Auf dem Tassenboden befindet sich das Logo für Cix Ceramics: ein Tannenbaum. „Der Schwarzwald ist sehr wichtig für mich“, sagt sie. „Wir sind jeden Tag draußen, entdecken immer noch neue Wege. Ich habe viele Lieblingsecken, das Murgufer, das Reichenbachtal. In Klosterreichenbach gibt es ein kleines Freibad, in dem ich jeden Tag schwimmen gehe, wenn ich hier bin.“

Von ihrem Morgenspaziergang hat Angelika Steinhilper einen gelben Schlüsselblumenstrauß mitgebracht, der sich nun in einen ihrer braunen Becher schmiegt. Eine gelungene Kombination: Die Farben der Natur ergänzen sich wunderbar mit denen ihrer Kreation.

Kontakt und Infos:

Cix Ceramics-Stücke von Angelika Steinhilper kosten zwischen zwölf Euro und 18 Euro für einen Becher und bis zu 120 Euro für eine große Kanne. Online verlauft sie auf www.diesellerie.com

Man kann auch direkt bei Angelika Steinhilper bestellen: Cix Ceramics, Kirchweg 1, 72270 Baiersbronn/Klosterreichenbach. www.cix-ceramics.de

Text: Frauke Rüth

Fotos: Frauke Rüth, Cix Ceramics (Steinhilper)