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Schon als Kind reichten die 15 Meter hohen Tannenwipfel irgendwann nicht mehr aus. Im wilden, tief eingeschnittenen Schlüchttal bei Ühlingen-Birkendorf im Südschwarzwald spielte der kleine Robert »Bergsteiger auf Expedition« in den Schneewechten. Mit Anfang 20 hatte der heutige Profi-Alpinist bereits mehr als 100 der schwierigsten Routen in den Nordwänden der Alpen im Alleingang durchstiegen – einige davon als Erstbegehung.

 Robert Jasper, 1968 in Waldshut geboren, war einer der ersten staatlich geprüften Berg- und Skiführer aus dem Schwarzwald. Er klettert also seit fünfzig Jahren und reist noch immer für ausgewählte Expeditionen um die ganze Welt – ins Everest-Gebiet im Himalaya, nach Feuerland oder Grönland. In diesem Frühjahr zog es ihn nach Patagonien. Kaum zurück im Schwarzwald, steht schon der nächste große Coup an: Bei passendem Wetter kann Jasper den Eiger von seinem Wohnzimmerfenster sehen – im Sommer fährt er nun mit Fahrrad und Kajak zum knapp 4000 Meter hohen Berg in den Berner Alpen, um ihn zu besteigen. 

Gemeinsam mit seiner Frau Daniela, die ebenfalls Extrembergsteigerin ist, bereiten sie sich als professionelle Seilschaft in ihrem »Basislager Schwarzwald«, wie sie es nennen, körperlich und geistig auf die großen Abenteuer vor. Wir haben die beiden in ihrem Zuhause in Schopfheim besucht und jede Menge Tipps und Tricks zum Klettern im Schwarzwald erfahren, sowie einen spannenden Einblick in die Lebenswelt der beiden Extremsportler bekommen. 

Im Schwarzwald sehen sie zum einen die Heimat, zum anderen aber auch ein Trainingsgebiet: »Wir haben Berge und Kletterfelsen fürs Training, wir können Laufen und Mountainbiken für die Ausdauer, es ist einfach eine tolle Landschaft mit schöner, intakter Natur«, sagt Robert. Oft sind die beiden am Feldberg unterwegs, erzählt Daniela weiter, weil es dort eine schöne Steigung gibt und man relativ lange bergauf laufen kann. Je nachdem, was für eine Tour oder gar Expedition ansteht, trainieren sie täglich. Klettern könne man laut Daniela nicht jeden Tag, da Ruhephasen wichtig sind – aber in der Regel sind sie jeden zweiten Tag in den Felsen oder in der Boulderhalle.

Es lohnt sich immer, aus der Haustüre zu treten und ab in den Schwarzwald zu gehen. Und wenn man das wie bei einer Expedition auch mal allein macht, dann wird man merken, wie diese Natur eine Ruhe und Energie gibt und man viel entspannter zurückkehrt.

Robert Jasper

 

Robert spricht die Psyche, das Geistige, als nicht zu unterschätzenden Faktor an. Gerade die Expeditionen verlangen einem teilweise fast Übermenschliches ab: »Wenn du wochenlang draußen in der Wildnis bist, dann braucht man sehr viel Erfahrung.« Gefragt 
nach weiteren Kraftquellen, die neben dem Training für Extremsituationen wappnen können, antwortet Robert: »Die Natur ist ein Ort, an dem man enorm viel Kraft schöpfen kann. Das ist eigentlich auch die wahre Energiequelle, mit der man das extreme Klettern oder die schwierigsten Expeditionen übersteht. Die Menschen haben heutzutage allerdings oft vergessen, wie wichtig Stille und Alleinsein für uns sind.« 

Genau diese Ruhe finden die beiden täglich vor der Haustüre. Ganz puritanisch leben sie aber nicht: Sie lieben es, längere Spaziergänge mit einem schönen Stück Schwarzwälder Kirschtorte zu feiern. »Wir sind schon auch Kaffee-Tanten und wissen zu genießen. Wenn du wochenlang frierend in der Kälte hockst, dann weißt du auch die Gemütlichkeit zu schätzen«, schmunzelt Robert. »Du kannst ja nicht dein Leben lang von einem zum anderen rennen, es geht ja auch ums Innehalten, um das Genießen. Wir haben das große Glück, in der Natur leben zu können und genießen das sehr«, schwärmt Daniela und deutet auf die große Fensterfront, vor der die Bäume im Wind wanken. 

Daniela und Robert leben seit 2020 in einem ehemaligen Bauernhaus im oberen Schopfheim. Mit viel Eigenarbeit und Durchhaltevermögen wurde auch hier ein Lebenstraum verwirklicht. In Momenten, in denen alles von Körper und Geist abverlangt wird, erinnern sie sich gerne an die Geborgenheit des Hauses. »Aus dieser Heimat«, so Daniela, »zieht man natürlich wiederum Kraft. Es ist ja gerade dieses Wechselspiel, das uns so fasziniert: Einerseits das extreme Ausgesetztsein in der Wildnis und andererseits das Wissen um die absolute Gemütlichkeit und den Luxus einer Heimat«. Robert untermalt den Gedanken: »Ich könnte mir nicht vorstellen, komplett ohne eine Heimat zu sein, es gibt ja auch Bergsteiger, die von Expedition zu Expedition ziehen. Ich habe das Gefühl: Um diese Energie zu haben, um den nötigen Biss auf Reisen zu haben, brauchst du auch einen Gegenpol, einen Ort, an dem du dich wohlfühlst und an dem du relaxen kannst.« 

Die Seilschaft aus Daniela und Robert hält nun schon seit 1993. Kennengelernt haben sich die beiden über einen Kletterkumpel in der Felswand. Daniela: »Von 0 auf 100 sind wir eingestiegen am Mont Blanc. Es hat sich einfach super getroffen.« Viele geniale und gefährliche Situationen haben die zweifachen Eltern seitdem gemeistert. 

Auch, als es vor zwei Jahren nicht gut um Robert aussah: Eine schwere bakterielle Lebensmittelvergiftung nach einer Kletterreise hatte fatale Auswirkungen auf seinen gesamten Organismus. »Da machst du dein Leben lang die gefährlichsten Kletterrouten und dann erwischt dich ein Ziegenkäse«, ergänzt Robert mit einer gehörigen Portion Galgenhumor. 

Das Bergsteigen ist die absolute Leidenschaft und der zentrale gemeinsame Nenner der beiden. Letztlich haben sie es sogar geschafft, davon zu leben, »obwohl das Klettern damals ja eher als Randsportart gesehen wurde«, so Robert. Das Element des Bergsteigens gibt den beiden sehr viel darüber hinaus: »In meiner Krankheitszeit habe ich das so gehandhabt wie eine Expedition: Ich muss da jetzt eben durch ein ganz tiefes Tal. Beim Bergsteigen lernt man aber auch, dass man mittendrin nicht aufgeben kann, das geht einfach nicht, du musst wirklich bis zum Ende durchziehen. Das ist auch unsere Lebenseinstellung. Zum Glück musste ich die Erkrankung aber nicht alleine durchstehen, meine Familie und die Ärzte haben mir sehr geholfen.« Daniela führt den übergeordneten Gedanken des Nicht-Aufgebens fort: »Man entwickelt als Bergsteiger natürlich auch eine gewisse Resilienz gegenüber den Widrigkeiten des Lebens – Kälte, Hunger, Müdigkeit. Das gehört beim Bergsteigen dazu.« 

Robert und Daniela repräsentieren aber gerade nicht nur das Extreme, sondern auch den Gegenpol dazu: Mit ihrem »Basislager Schwarzwald« leben Sie inmitten eines vielfältigen Trainingsgebiets und gleichzeitigem Kraftort. Ihre kleinen täglichen Routen in der Schwarzwälder Natur haben einen positiven Effekt für ihr gesamtes Leben. 


»Es lohnt sich immer, aus der Haustüre zu treten und ab in den Schwarzwald zu gehen. 
Und wenn man das wie bei einer Expedition auch mal allein macht, dann wird man merken, wie diese Natur eine Ruhe und Energie gibt und man viel entspannter zurückkehrt. Es muss nicht immer das Extreme sein. Irgendwo dazwischen kann definitiv jeder ansetzen«, schließt Robert.

 

Info

Alle Infos zu Klettergebieten, Kletter- und Boulderhallen 
im Schwarzwald gibt es unter www.klettern-schwarzwald.info
 

Text: Jens Großkreuz

Fotos: Lorenz Guggenberger/ Schwarzwald Tourismus GmbH, Daniel Schönen/#heimat