Hannes Bonzheim
Mit Weitblick und Leidenschaft im Einsatz für den Naturschutz: Hannes Bonzheim sieht in Flora und Fauna eine Schatztruhe der Vielfalt. Er geht nicht nur persönlich voran, sondern möchte durch Vorträge und Aufklärungsarbeit auch eine Art Türöffner sein, um Menschen Verständnis und Liebe für die Natur vor der eigenen Haustür zu vermitteln. Ein Ortsbesuch in Ihringen.

Hochgewachsen und mit wachen, neugierigen Augen steht Hannes Bonzheim (Jahrgang 2003) am Bahnhof in Ihringen. Die Kaiserstuhlgemeinde ist seit 2017 sein Zuhause, der gebürtige Freiburger kennt sich bestens aus und steuert schnellen Schritts aus dem Städtchen hinaus in Richtung Weinberge. „Als wir hierhergezogen sind, bin ich alles mit dem Rad abgefahren, die Weinberge hoch und runter“, erzählt er. Schon als Kind hat er sich für Tiere und die Natur interessiert, eine Leidenschaft, die ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt worden sei. Besonders fasziniert ist er von der Vogelwelt, hat schon früh mit dem Fernglas Vögel beobachtet und zur Konfirmation 2018 seine erste Kamera geschenkt bekommen – der Startschuss, sich autodidaktisch mit Fotografie zu beschäftigen.
Mittlerweile hat er knapp 500 Vogelarten fotografiert, natürlich auch den für den Kaiserstuhl charakteristischen Wiedehopf und Bienenfresser oder das für die Ferienregion Schwarzwald typische Auerhuhn, den Dreizehenspecht und den Raufußkauz. Viel wichtiger als die Zahl allein ist ihm aber, sich das notwendige Grundverständnis für die Arten angelesen und angeeignet zu haben. „Das Wichtigste ist, die Tiere durch Fotografie oder Beobachtung in ihrem Verhalten nicht zu stören.“ Eine Möglichkeit ist beispielsweise das Tarnzelt, Geduld eine notwendige Voraussetzung. „Man muss wissen, wo die Arten vorkommen, bei tagaktiven Tieren schon in der Morgendämmerung das Tarnzelt aufbauen und dann braucht man neben Zeit natürlich auch Glück, dass gute Bilder gelingen.“ Wo manch einer möglicherweise an Langeweile denkt, zieht er daraus eine große innere Ruhe.
Man muss wissen, wo die Arten vorkommen, bei tagaktiven Tieren schon in der Morgendämmerung das Tarnzelt aufbauen und dann braucht man neben Zeit natürlich auch Glück, dass gute Bilder gelingen.
Hannes Bonzheim
Bonzheim spricht kenntnisreich und eloquent, man merkt, dass er geübt darin ist, vor Gruppen zu stehen. Denn er lädt Interessierte gerne zu Führungen, Workshops und Vorträgen ein – unter anderem ist er ehrenamtlich für das Naturzentrum Kaiserstuhl aktiv –, in denen er über seine Erfahrung und seine Erlebnisse in Bezug auf die Tier- und Pflanzenwelt spricht. Zudem ist er ICARUS-Botschafter (internationale Kooperation zur Beobachtung von Tieren aus dem Weltraum), Young Scientist am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (aktuell führt er eine Brutpopulationsstudie des Wiedehopfes am Kaiserstuhl durch) und selbständig aktiver Vogelberinger der Vogelwarte Radolfzell. „Es motiviert mich sehr, Menschen zu begeistern und eine Art Türöffner zu sein. Ich bin überzeugt davon, dass man das, was man kennenlernt, auch lieben lernt und sich für dessen Schutz einsetzt. Und ich möchte Menschen zeigen, was direkt vor ihrer Haustür alles lebt und wie man diese Vielfalt bewahren kann.“ Es gehe ihm um die Vermittlung – erklärend, nicht belehrend. Im direkten Kontakt lasse sich so ein Bewusstsein für die Umwelt schaffen, das langfristig wirkmächtiger sei als das reine Verbot.
Auch im Gespräch beobachtet er alles um ihn herum, plötzlich weist er auf einen vorbeifliegenden Turmfalken hin. Diesen offenen Blick nutzt er auch dazu, beispielsweise nach alten Rebhisli oder Bäumen Ausschau zu halten, die möglicherweise sonst abgebaut bzw. gefällt werden könnten – Bonzheim geht dann ins Gespräch mit den Besitzern und fragt, ob er dort Nistkästen anbringen darf. „Der Wiedehopf würde hier am Kaiserstuhl wahrscheinlich gar nicht mehr vorkommen, wenn man ihn nicht mit künstlichen Nistkästen unterstützen würde.“ Die Art profitiere auch von der zunehmend ökologischen Arbeitsweise in den Weinbergen, mit Großinsekten wie Feld- und Maulwurfsgrillen oder Engerlingen können die Zugvögel ihre Brut aufziehen.
Bonzheim zeigt auf den gegenüberliegenden Weinberg und erzählt, dass er dort im Gartengrundstück eines Freundes eine kleine Hütte mit Nistkästen für den Wiedehopf aufgebaut hat, damit dieser dort brüten kann. Und er hat noch eine Beobachtungshütte dazugestellt mit speziellem Spiegelglas, so dass er nach draußen gucken kann, die Vögel ihn aber nicht sehen können. „Da kann ich sie im Frühling bei ihrer Balz- und Brutaktivität hautnah beobachten, in die Nistkästen habe ich Live-Kameras eingebaut, via Handy kann ich dabei zuschauen, wie sie ihren Nachwuchs großziehen und mir sicher sein, dass ich kein Störfaktor bin.“
alle Fotos: © Hannes Bonzheim
Sein reflektierter Blick auf die Welt hat mit Sicherheit auch mit seinen Reisen zu tun: Beim Schüleraustausch 2019 war er für drei Monate in Costa Rica, im September und Oktober 2023 arbeitete er auf den Galapagos-Inseln als Volunteer für die Charles Darwin Foundation. Er habe dadurch mehr Gelassenheit und Dankbarkeit gelernt. „Wenn ich irgendwo hinreise, dann möchte ich dort auch viel Zeit verbringen und neben der Tier- und Pflanzenwelt auch Menschen kennenlernen und mich in die Kultur einleben.“ Reizvoll findet er Neuseeland und Australien, „da möchte ich irgendwann in meinem Leben unbedingt noch hin“, sagt er. Aktuell ist er aber eingespannt mit seinem im Oktober 2024 begonnenen Studium: Forstingenieurswesen im bayerischen Freising. „Da lerne ich viel über Ökosysteme und die Verbindungen der Arten untereinander. Ich möchte später gerne forschend im Bereich Verhaltensbiologie arbeiten und im Naturschutz etwas erreichen.“ Die Fotografie soll – auch wenn er mit „Vögel an Deutschlands Gewässern“ (2019) und „Die magische Welt unserer Vögel“ (2022) schon zwei Bücher veröffentlicht hat – ein Hobby bleiben.
alle Fotos: © Hannes Bonzheim
Ein leidenschaftliches auf jeden Fall. Neben Vögeln hat er in den vergangenen Jahren auch Insekten fotografiert, dann Orchideen, 2023 kam zur Makro- auch Landschaftsfotografie dazu. Spricht Bonzheim über seine Bilder, so kann er sich immer in den Moment zurückversetzen, als er sie aufgenommen hat. „Bilder sind für mich eine Art Zeitkapsel“, sagt er und erzählt von einem Steinkauz-Paar, das im Juni 2021 in der Dämmerung immer zu einer großen Rebhütte in den Weinbergen kam und Junikäfer aus der Luft gepflückt habe. Dabei ist eines seiner Lieblingsbilder entstanden: „Der Kauz hat auf einer Mohnblüte unterhalb der Hütte einen Junikäfer erspäht, ist dann runtergeflogen, hat das Blatt mitgegriffen und hatte den Käfer mit der Blüte im Schnabel. Es sah aus, als hätte er sein rotes Vespertütle ausgepackt.“
Bonzheim steuert aus den Weinbergen wieder Richtung Städtle, nickt einem Vorbeikommenden freundlich zu und zeigt auf eine Streuobstwiese, die er in Absprache mit den Besitzern für verschiedene Vögel „aufbereitet“ hat: Mit Steinkauzröhren im Baum, in denen im Frühling auch Stare drin brüten, ein Specht bedient sich gerade an der Futterstelle. „Alte Obstbäume sind beispielsweise für Steinkäuze sehr wichtig. Ich schicke den Besitzern dann immer wieder Fotos, sie sind oft überrascht, was alles so lebt auf ihrer Wiese“, lacht er.
Seine Freizeit widmet er komplett seiner Leidenschaft, in Eigenregie hat er sein Wissen und seinen Wirkungskreis immer erweitert. Wünschen würde er sich eine bessere Zusammenarbeit und Vernetzung all derer, die sich für den Schutz der Natur einsetzen. Trotz Studium in Bayern möchte er am Kaiserstuhl auch weiterhin Führungen anbieten, „denn ich bin überzeugt davon, dass sie der beste Weg sind, Menschen aufzuklären und ein Bewusstsein für die Natur zu schaffen“.

Weitere Informationen:
Weitere Infos zu Hannes Bonzheim und Termine mit ihm gibt es unter www.naturfotografiebonzheim.com, seine Fotos sind auch auf seiner Instagram-Seite @naturfotografie.bonzheim zu finden. Tipps für naturbegeisterte Wanderer sind der 30 Kilometer lange „Wiedehopfpfad“ von Breisach nach Sasbach sowie der knapp 20 Kilometer lange „Bienenfresserpfad“ von Ihringen nach Königschaffhausen. Alle Infos dazu sowie zur besonderen Tier- und Pflanzenwelt am Kaiserstuhl gibt es unter www.naturgarten-kaiserstuhl.de.
Der Wiedehopf
Der Wiedehopf mit seiner charakteristischen Federhaube nistet heute in den Rebhisli, da Bäume und Baumhöhlen selten geworden sind. Naturfreunde und Winzer bauen ihm Nistkästen, die in den Rebhütten angebracht werden. Sein Ruf, der wie eine alte Autohupe klingt (hub-hub-hub), ist im Sommer (Mai und Juni) im Kaiserstuhl öfter zu hören. Der Wiedehopf ernährt sich von Maulwurfsgrillen, Engerlingen und Raupen. Er holt sie mit seinem spitzen langen Schnabel aus der Erde.
Der Bienenfresser
Der bunteste Vogel am Kaiserstuhl ist der Bienenfresser. Er nistet in den steilen, besonnten Lösswänden. Er fängt seine Nahrung nur in der Luft, zum Beispiel Wespen, Hummeln, Schmetterlinge und Libellen. Er ist recht scheu, aber ein geselliger Artgenosse, der gerne zu mehreren auf Stromleitungen sitzt und seinen „Prürr“-Ruf ertönen lässt. Als Sommergäste machen sich Wiedehopf und Bienenfresser, wenn es kühler wird, wie viele andere Zugvögel, auf den Weg in Richtung Mittelmeer und Afrika.
Text: Michael Gilg
Fotos: Hannes Bonzheim
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