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Die Fastnacht 
ist das größte und älteste Volksfest, das wir haben. 

Roland Wehrle, Präsident der VSAN

Gut zu wissen

Was alle vereint

Was ist die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte?

Es ist die älteste Narrenvereinigung Deutschlands, sie wurde 1924 gegründet. Der Hintergrund war, gegen die bestehenden Fastnachtsverbote der baden-württembergischen und hohenzollerischen Regierung anzugehen. Außerdem wollte man zu den alten Feierbräuchen zurückkehren, zu den alten Traditionen. Die Fastnacht im Südwesten war um diese Zeit karnevalisiert. Deshalb hat man die Vereinigung gegründet, sozusagen zur Erhaltung dieser Bräuche.

Wo liegen die Hauptunterschiede bei den Zünften in Schwaben und in Baden?

Wir haben die unterschiedlichsten Bräuche, je nach Region. Ob wir im Oberschwäbischen Munderkingen den Brunnensprung haben, oder den Nasenzug in Wolfach oder das Da- Bach-na-fahren in Schramberg – das sind unterschiedliche Bräuche, die überall gepflegt werden. Die Fasnet ist, da gehört auch der Karneval dazu, das größte und älteste Volksfest, das wir haben. Es kennt keine Grenzen bei Generationen und Schichten.

 

Sie sind inzwischen 26 Jahre Präsident der VSAN. Welcher Zunft gehören Sie an?

Meine Heimatzunft ist die Narrenzunft Furtwangen. Da bin ich schon seit meinem 6. Lebensjahr aktiv. Ich war schon immer Fastnachts-begeistert. Wenn ich den Furtwanger Narrenmarsch höre wird mir warm ums Herz und ich freue mich.

 

Wie ist die richtige Bezeichnung für das närrische Treiben? 

Da spiegelt sich die Mundart aus den verschiedenen Landschaften wieder. Es wird deutlich, wie vielfältig die Mundarten und Bräuche sind. In Offenburg sagt man Fasent, bei uns sagt man Fasnet und im Oberschwäbischen wird es wieder anders ausgedrückt. Am wichtigsten ist, dass wir es im Allgemeinen als Fastnacht verstehen, die Nacht vor der Fastenzeit. Das war ja früher so, da haben die Menschen noch einmal gefeiert. Die Fastnacht hat ja christlich-religiöse Wurzeln, von der entstand sie und wurde sie geprägt. Daher würde man sie im allgemeinen Sprachgebrauch am ehesten als Fastnacht bezeichnen.

Roland Wehrle als Furtwanger Hansili
Roland Wehrle als Furtwanger Hansili – © Narrenzunft Furtwangen

nachgehakt

Fastnacht und Corona

 

In diesem Jahr fallen die beliebten Straßenumzüge den Corona-Auflagen zum Opfer.

Das ist bedauerlich und es fiel uns nicht leicht. Doch wir mussten schlussendlich sämtliche Veranstaltungen absagen. Wir wollen natürlich nicht der neue Hotspot sein. Doch das hindert uns nicht daran, unsere Städte zu schmücken, Narrenbäume aufstellen. Das ist natürlich alles coronakonform zu organisieren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche digitale Angebote einzelner Zünfte. Dazu gehören Zunftabende, Bürgermeisterbefreiungen und Amtsübernahmen, die digital eingespielt wurden.

 

Macht nicht gerade das öffentliche „Närrisch-sein“ die Fastnacht aus?

Sicherlich, aber warum sollte nicht der einzelne Narr mal auf die Straße gehen? Warum sollte nicht der einzelne Narr mal einen Kranken, einen Behinderten besuchen? Warum sollten wir nicht mit den verkleideten Kindern an Fastnacht in die Kindergärten gehen, wenn sie geöffnet haben? Die Narretei ist mehr als Jubel, Trubel, Heiterkeit. Es ist eine große Form der Mitmenschlichkeit, ein Fest der Sehnsüchte. Es überwindet soziale Schranken, bezieht den Fremden mit ein. Viele Narren zeichnet ein großartiges, soziales Engagement aus. Wir können auch einfach am Schmuzigen Doschdig im Häs einkaufen gehen.

 

Erinnern Sie sich an ein persönliches Erlebnis in Ihrer Heimatzunft Furtwangen?

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Vor vielen Jahren war ich einmal angestellt bei der Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Offenburg. Einige Zeit später kam ich dann zu einem Narrentreffen nach Offenburg zurück. Und ich wusste, dass der damalige Oberbürgermeister und der damalige erste Bürgermeister ziemlich zerstritten waren. Bei unserem Narrentreffen saßen beide nebeneinander auf der Ehrentribüne, als ich als Narr vorbeilief. Ich habe denen dann unerkannt unter der Maske Kommentare zu ihrem Streit zugerufen, die sie völlig aus dem Konzept brachten. Sie waren verdutzt, dass da ein fremder Narr plötzlich so treffende Dinge ausplaudert. Die haben beide hochrote Köpfe bekommen.
  Das nennt man dann wohl „Narrenfreiheit“?

 
In gewisser Weise. Der Narr hält dem anderen den Spiegel vor. So merken wir auch gerade in diesen Zeiten, wie der Mund-und-Nasenschutz uns entstellt und wie wichtig es ist, dem anderen ins Gesicht sehen zu können, seine Mimik, seine Gestik zu sehen. Manchmal muss man ganz genau hinsehen, um den Menschen gegenüber zu erkennen.  
Genau das macht auch die närrische Verkleidung aus. Wenn ich als Narr auf der Straße stehe und einen Bürger anschaue, der wird völlig verunsichert. Er weiß nicht, ob ich ihn anlache, auslache, was ich mache. Ich kann jedem einzelnen Narren empfehlen, das mal auszuprobieren.
Die Fastnacht hat sozusagen eine psychohygienische Funktion. Ich kann in eine andere Rolle schlüpfen. Ich bin nicht mehr der Präsident oder der Geschäftsführer der Nachsorgeklinik Tannheim. Ich bin ein ganz normaler Narr.
 

 

 

 

Was ist Ihre persönliche Botschaft an die Narren und Bürger allgemein?

Es ist eine Freude, als Narr verkleidet zu sein, in eine andere Rolle zu schlüpfen, wieder ein bisschen so ausgelassen zu sein wie die Kinder, aber trotzdem noch anständig. Es ist wichtig, dass wir wenigstens ein wenig Fastnacht feiern, unsere Städtle schmücken und ein bisschen Freude haben in den kommenden Tagen.

 

Text: Iris Huber
Bilder: Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte e.V.

Die Furtwanger Spättle. Als “Spättle” bezeichnet man in Furtwangen kleine Stoffreste oder Flicken.
Die Furtwanger Spättle. Als “Spättle” bezeichnet man in Furtwangen kleine Stoffreste oder Flicken. – © Narrenzunft Furtwangen

Fastnachtsgeflüster

Wehrle im Podcast