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Dann habe ich mich hingesetzt, losgeschrieben – und erkannt, dass man keine Angst vor dem Anfang haben sollte. Man muss kein ganzes Gebilde im Kopf haben, sondern kann einfach schauen, wohin einen die Fantasie trägt. 

Harald Kiwull

 

 

Die Klosterruine Frauenalb im nördlichen Schwarzwald ist ein Ort, der die Phantasie anregt: Zwei Türme ragen rechts und links an der Fassade in den Himmel. Wer unter den steinernen Bögen hindurchgeht, steht wieder im Freien, denn ein Dach hat die Kirche nicht mehr. Aber die Seitenwände stehen noch und lassen ein Bild des einst mächtigen Bauwerks entstehen. Harald Kiwull spaziert durch die Ruine. Sie liegt im „wildromantischen Albtal“, die der Autor auch als „herrlich hügelige Landschaft“ beschreibt, als einen Schwarzwald „gar nicht dunkel und unheimlich wie vielleicht zu anderen Zeiten“.

Der Protagonist in Harald Kiwulls unterhaltsamen Krimis heißt Maximilian Knall. 

Im Buch „Eine spanische Eröffnung“ besucht Knall die Klosterruine Frauenalb. Zwei Männer verfolgen ihn – von Spanien bis in den Schwarzwald. Ganz offensichtlich suchen sie etwas bei ihm und schlagen ihn nieder, als er sein Haus in Ettlingen betritt. Knall will nun auf eigene Faust herausfinden, was sie bei ihm suchen. Als eine Staatsanwältin überfallen wird, die in Knalls nächstem Prozess auftreten soll, wird klar, dass dort der Grund zu suchen ist. Die Ereignisse überschlagen sich, in Frauenalb kommt Knall kurz zur Ruhe, betrachtet nachdenklich die Überreste der Klosterruine und sinniert über die Vergänglichkeit der Zeit.

 

Drei Krimis hat Harald Kiwull mittlerweile veröffentlicht, den vierten will er noch in diesem Jahr vollenden.

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Der Mann aus Waldbronn im nördlichen Schwarzwald war lange Zeit Strafrichter in Karlsruhe und fing nach seiner Pensionierung mit dem Schreiben an. Doch ein Faible fürs Kreative hatte er schon vorher. „Juristen müssen ja ihren Verstand nutzen, während Fantasie und Emotionen bei Entscheidungen im Gerichtssaal fehl am Platz sind. Zum Ausgleich habe ich mir immer andere Aufgaben gesucht“, erzählt der 78-Jährige. Zum einen war er Referent für Bewährungshilfe und hatte viel mit Sozialarbeitern zu tun. Außerdem hat er 20 Jahre lang Ausstellungen am Karlsruher Landgericht organisiert und dazu über hundert Künstler in ihren Ateliers besucht. „Diese Menschen kennenzulernen war großartig“, erzählt er mit Begeisterung in der Stimme, „es hat mich immer fasziniert, wie sie von innen heraus leben und ihre Bilder gestalten und verändern“. 
 
Ein Künstlerfreund, auf dessen Blog er über gemeinsame Segelerlebnisse berichtet hatte, fand seinen Stil so gut, dass er ihn zum Schreiben ermutigte. „Dann habe ich mich hingesetzt, losgeschrieben – und erkannt, dass man keine Angst vor dem Anfang haben sollte. Man muss kein ganzes Gebilde im Kopf haben, sondern kann einfach schauen, wohin einen die Fantasie trägt.“ Ein unglaubliches Gefühl sei es gewesen, als er das erste Buch beendet hatte. Anschließend musste er aber rund 50 Verlage anschreiben und sie – je nach Wunsch – mit Manuskripten, Exposés, Probeseiten versorgen, bis schließlich der Verlag Lindemanns in Bretten Interesse zeigte. Er veröffentlichte 2016 die „Trüffel-Connection“ und die Startauflage von 1000 Exemplaren war nach wenigen Wochen ausverkauft. Inzwischen hat der Verlag die dritte Auflage gedruckt und vom zweiten Band mit dem Titel „Knall 2“ gibt es auch schon eine zweite Auflage.   

Im dritten Krimi „Eine spanische Eröffnung“, der 2019 erschienen ist, unternimmt Maximilian Knall von Frauenalb aus einen Spaziergang auf dem Graf-Rhena-Weg, der bis nach Bad Herrenalb führt. „Zwischendurch immer wieder herrliche Ausblicke über die Alb auf die Gegenseite“, schreibt Kiwull. „Das Wetter war angenehm, die Nachmittagssonne ließ das Blätterwerk der Bäume intensiv erstrahlen.“ An diesem Tag hängt ein grauer Himmel über den Bäumen und die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Beides lädt nicht zu einem längeren Spaziergang ein und treibt den Autor schon bald zur Umkehr. Er steuert den Landgasthof „König von Preußen“ an, wo auch Maximilian Knall im Buch einkehrt, und nimmt in der gemütlichen Gaststube Platz. Im denkmalgeschützten Haus steht ein Koch am Herd, der Erfahrung in der Sterne-Gastronomie gesammelt hat. Harald Kiwull schätzt wie sein Protagonist gutes Essen, das von einem guten Glas Wein begleitet wird. Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit: Maximilian Knall hat wie Kiwull in Freiburg studiert und ist nun Strafrichter in Karlsruhe. Manchmal führt ihn sein Weg nach Spanien, wo auch Kiwull gerne die Wintermonate verbringt. Viele weitere Parallelen lassen sich finden, doch im Gegensatz zum Autor hat Knall keine Ehefrau. „Das gibt mehr Freiheit beim Schreiben“, sagt er, „ich bin überzeugt, dass es für die Leser interessanter ist, wenn der Knall auch mal verliebt ist und im Buch Frauenbeziehungen vorkommen“.

 

Wer ihm zuhört, stellt schnell fest, dass Harald Kiwull über Jahrzehnte hinweg gewohnt war, seine Worte wohlüberlegt und klar zu setzen.

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 Er ist in Stade in Niedersachsen aufgewachsen. Nach seinem Jurastudium in Freiburg arbeitete er sein halbes Berufsleben als Zivilrichter, bevor er Vorsitzender Strafrichter am Landgericht Karlsruhe wurde. Lange Zeit schon lebt er in der Region und hat viele Schwarzwaldorte und Landschaften zwischen Karlsruhe und dem Markgräflerland kennengelernt. Beim Schreiben nutzt er also nicht nur sein juristisches Knowhow. Er nennt zudem einige Schauplätz ganz konkret und beschreibt sie. So spaziert Maximilian Knall im dritten Buch mit seinem Freund Georg, der ihn bei seinen Recherchen auf unkonventionelle Weise unterstützt, in Freiburg auf den Schlossberg und zur Kapelle der Heiligen Odilia. Im nächsten Buch wird das Karlsruher Schloss eine Rolle spielen.

Anderes wiederum hat Harald Kiwull verlegt, zum Beispiel eine Kneipe aus Waldbronn nach Karlsruhe. Auch das Hotel in Ettlingen mit den Dachgeschosszimmern, in dem Knall in seinen Büchern immer wieder Zuflucht sucht, existiert: „Darin bin ich selbst für eine Weile untergekommen“, erzählt der Autor. „Zwar gab es damals auch kuriose Dauermieter, aber eine Prostituierte, wie im Buch von mir beschrieben, war nicht dabei.“Beim Schreiben fließt auch manches davon ein, was er in seiner Zeit als Richter gehört hat. „Im Strafrecht tobt das Leben, es wird gelogen und geweint, manchmal ist es Dramatik pur. Aber ich musste auch schlimme Sachen verhandeln, daran will ich heute nicht rühren.“ Deshalb schildert er in seinen Büchern auch keine brutalen Morde. „Wer meine Bücher abends im Bett liest, soll trotzdem gut schlafen können.“

Ihn selbst hat gelegentlich schon die große Verantwortung gequält. Wenn man als Richter fest davon überzeugt ist, dass der Verurteilte der Täter ist, sei es leichter.

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„Schwierig wird es, wenn nach einem Freispruch noch Zweifel bestehen. Man zermartert sich den Kopf und fragt sich, was man noch hätte tun können, um die Wahrheit herauszufinden. Ich bin froh, dass ich es nicht mehr tun muss.“ Stattdessen schickt er nun seinen Maximilian Knall in die Welt der Verbrechen. Allerdings überschreitet dieser hin und wieder Gesetze, bricht ein, um mit den Ermittlungen voran zu kommen, oder wählt Mittel und Wege, die ihn durchaus in rechtliche Schwierigkeiten bringen könnten – und die so gar nicht zu einem Richter passen. Dass dies ein gewisser Widerspruch ist, räumt Harald Kiwull zwar ein, „aber ich wollte keinen langweiligen Standardrichter, sondern einen, der aus dem Rahmen fällt und Kanten hat“. Außerdem begeht sein Protagonist keine schweren Straftaten, wie er erklärt: Selbst der Einbruch sei ohne die Absicht, etwas zu stehlen, allenfalls eine Sachbeschädigung – oder sogar nur ein Hausfriedensbruch. Trotzdem holen die Grenzüberschreitungen im vierten Fall den Richter Knall ein: Darin wird er erpresst – mit einem Foto, das ihn beim Einbruch zeigt, den er im ersten Buch begangen hat.
 

Mal ermittelt sein Protagonist im Darknet und im Rotlichtmilieu, mal wird er verdächtigt, in eine Sparkasse eingebrochen zu sein. Dabei schreibt Harald Kiwull immer in Ich-Form. „Das macht es manchmal komplizierter, weil der Erzähler alles selbst erleben muss und man keine Parallelgeschichten erzählen kann“, sagt er. „Ich liebe aber Bücher, die in Ich-Form verfasst sind, weil ich mich besser in den Protagonisten hineindenken kann. Und das wünsche ich mir: Dass die Leser Maximilian Knall wie einen Freund auf seinem Weg begleiten können.“

 

Zur Person:

Harald Kiwull, 78, ist in Stade in Niedersachsen aufgewachsen und kam als Student nach Freiburg. Sein halbes Berufsleben arbeitete er als Zivilrichter, bevor er Vorsitzender Strafrichter am Landgericht Karlsruhe wurde. Sein Prozess mit dem größten Medienecho, das bis ins Ausland reichte, war der „Autobahnraser-Fall“ 2004, bei dem eine Fahrerin und ihre Tochter ums Leben kamen und ein Testfahrer verurteilt wurde. Seit seiner Pensionierung hat er drei Krimis veröffentlicht: „Die Trüffel-Connection“, „Knall 2“ und „Eine spanische Eröffnung“ (Verlag Lindemanns Bibliothek, jeweils 12,95 Euro). Zu seinem dritten Krimi gibt es auch ein Hörbuch, gelesen von Harald Kiwull. 

 

 

Mehr Infos unter www.lindemanns-web.de

Text:     Claudia List, freie Autorin
Bilder:  Claudia List