Weggefährten fürs ganze Jahr
Wer auf Schwarzwälder Wegen wandert, kann leicht in unbekannte neue Welten eintreten – bei geführten Touren mit Profis lässt sich Entdeckerlust und Wissensdurst aufs schönste kombinieren. Von Jens Großkreuz
Ein erhabenes Gefühl macht sich in mir breit, als ich um 6 Uhr in der Früh unter dem schwarz-gold-leuchtenden Firmament stehe. Die Temperatur ist nahe dem Gefrierpunkt. Ich kann die Augen kaum von den Sternen lassen, aber es soll ja noch besser werden. Wir stehen in einer kleinen Gruppe am Feldberg und warten, bis die Guides Monika Neck und Thomas Hilpert das „Go“ geben, um auf den „Höchsten“ im Schwarzwald, den Feldberggipfel (1493 m), zu wandern. Sie bieten uns Stirnlampen an. Oben wollen wir in einer kleinen Gruppe den größten aller Sterne bewundern – den Sonnenaufgang.
Monika und Thomas sind schon lange dabei, haben schon unzählige Touren durch den Schwarzwald geführt, mal mit Wanderschuhen, mal mit Schneeschuhen. Seit mehr als 30 Jahren begleiten sie Erlebnis- und Naturhungrige durch den Schwarzwald. Da drängt sich bei mir die Frage nach der Lieblingstour auf, während ich gemütlich neben Monika den Berg hochstapfe. Sie gibt sich keine Sekunde Bedenkzeit und ihre Augen strahlen: „Die Natur ganz im Allgemeinen“, sprudelt es aus ihr heraus, „und die guten Gespräche mit den Leuten! Diese Kombination ist einfach unschlagbar.“
Für Thomas gibt es kein schlechtes Wetter: „Jedes Mal, wenn du rausgehst, sei die Überwindung auch noch so groß, stellt sich immer ein positives Gefühl ein, nachdem du draußen in der Natur warst. Nur gefährlich darf es nicht sein, das wäre fahrlässig. Wenn der Wind unberechenbar wird, dann werden schon mal Touren verschoben.“
Thomas klingt an diesem Morgen tatsächlich eher skeptisch, was das Alpenglühen betrifft. Laut Webcam ist der Gipfel des Feldbergs von dichten Nebelschwaden umhüllt. Die acht Frühaufsteher auf dem Gipfel sind dennoch guter Dinge. Wir haben es schließlich mit der Natur zu tun. „Der Feldberg hat sein ganz besonderes und eigenes Mikroklima“, erklärt Thomas. Leider kann er nicht für den geglückten Sonnenaufgang am Gipfel bürgen. Manche haben eine fast zweistündige Anreise hinter sich. „Aber das zur Tour gehörende Frühstück im Raimartihof“, das weiß er ganz sicher, „ist bestimmt ganz fabelhaft wie eh und je.“
Wir lassen uns vom absoluten Nebel am Gipfel nicht die Stimmung trüben und folgen Thomas wieder bergab. Leise hört man Ziegen- und Kuhglocken. Wir sind also nicht ganz alleine hier oben.
Eigentlich bin ich sehr gerne alleine unterwegs, aber jetzt spüre ich den Vorteil eines Wanderführers. Ich kann loslassen, mich völlig auf die Natur und die kleinen Dinge am Wegesrand konzentrieren, ohne das Gefühl zu haben, die nächste Abzweigung zu verpassen. Ich habe keine Uhr dabei, das Handy ist tief im Rucksack vergraben, die Uhrzeit interessiert nicht – ich lasse mich treiben. Jetzt verstehe ich, dass es bei einer geführten Tour auch und wesentlich genau darum geht. Irgendwann wird sich der Frühstückshunger melden, aber: Bei den meisten Touren der Schneeschuh Akademie ist die Verpflegung bereits im Preis mitinbegriffen. Ich erinnere mich an weitere Angebote in ihrem Portfolio: Schauinsland Panorama-Tour mit „heißem Stein“-Buffet; Glühpunschtouren; Fondue- oder Kaiserschmarrn-Plausch sowie leichte „Wälder-Runde“ mit rustikaler Einkehr.
Thomas sammelt die Gruppe und weist auf die Besonderheit am Wegesrand hin: „Diese Quelle speist den Feldsee, wenn diese versiegt, was 2022 nahezu der Fall war, dann liegt Deutschlands höchst gelegener See außerhalb der Alpen bald auf dem Trockenen.“
Der Feldberg ist seit 1937 in großen Teilen Naturschutzgebiet (das älteste in Baden-Württemberg), aber auch Versuchsanstalt des Forstes. Noch immer gibt es viele Unklarheiten über den weiteren Verlauf des Klimawandels. Wo greift der Mensch ein, wo lässt er der Natur ihren freien Lauf? Jeher ist der Feldberg auch Kulturlandschaft mit Viehwirtschaft, Auerhahn-Brutstätte, aber auch Tourismus-Hotspot, gerade in schneereichen Wintern. „Wir haben es hier mit vielerlei Interessen zu tun, wie man merkt“, so Thomas, „deshalb ist eine gute Absprache mit allen Beteiligten das A und O. Da geht es beispielsweise darum, welches Gebiet aus Natur- und Tierschutzgründen zu welcher Zeit gemieden werden sollte. Das alles machen wir in Abstimmung mit den Behörden vor Ort.“
Wir passieren ein märchenhaftes Waldstück, langsam drückt sich die Sonne durch die Nebelfelder. „Das hier ist Lothar-Wald, 1999 nach dem schweren Orkan hat man sich entschlossen, alles so zu belassen. Der Borkenkäfer ist ein- und wieder ausgezogen. Nun sind viele Stämme derart ausgehöhlt, dass schon bei starkem Wind Gefahr des Umsturzes besteht.“
Natürlich möchten wir die Natur in vollen Zügen genießen, aber dazu gehört nun mal auch die sachte und fachkundige Aufklärung über die Umgebung, in der man unterwegs ist. Belässt man den Bannwald mit touristischem Anspruch, oder schickt man Forstarbeiter hinein? Wer zahlt dafür? Viele Fragen entstehen.
Langsam dämmert mir der Grund des Namenszusatzes „Akademie“ im Firmennamen. Thomas reagiert auf meine Frage: „Die Schneeschuh Akademie möchte animieren, raus in die Natur zu gehen und ihre Schönheit zu genießen. Eine geführte Tour kann der erste Schritt dazu sein, die Natur wieder neu für sich zu entdecken. Im weitesten Sinne möchten wir gerne auch ein Bewusstsein für alle Naturaspekte schaffen, so dass unsere Teilnehmer neue Erkenntnisse gewinnen. Gemeinsam, wie in einer Art Akademie.“
Der Name Schneeschuh Akademie klingt schon sehr nach Winter, denke ich. Dennoch lassen sich die beiden nicht davon abbringen. Über das Wort „Schneesicherheit“ muss Monika schmunzeln und sagt: „Wir befinden uns in einer Zeit des Wandels, des Übergangs. Wir müssen in sämtlichen Bereichen flexibel sein.“
Auch der Markt als Reiseveranstalter hat sich verändert, meint Thomas ergänzend: „Die Menschen möchten immer weniger Ganztagestouren machen, sondern in relativ kurzer Zeit viel erleben. Auf der einen Seite gibt es die Erlebnis-Jäger, die sich gerne ein paar Stunden in der Natur aufhalten, schöne Fotos mit nach Hause bringen möchten, aber auch den Genuss nicht verkennen. Auf der anderen Seite gibt es die Leistungs-Jäger, die Wandermarathons absolvieren möchten, gerne 20 Stunden am Stück unterwegs sind und ganz eigenen persönlichen Rekorden hinterherwandern.“ Eines vereint jedoch alle: Aktiv in der einzigartigen Schwarzwälder Natur zu sein.
Diese Trends interessieren mich, also frage ich ein weiteres Schwergewicht im Bereich Aktiv-Reisen, Jörg Maier, den Geschäftsführer von Original Landreisen AG. „Bei einer geführten Wanderung, egal ob mit Fackeln, Schneeschuhen oder nur mit Wanderstiefeln ausgestattet, kann man sehr von der Erfahrung und dem Fachwissen der Guides profitieren. Diese kennen die besten Routen, die schönsten Aussichtspunkte und geben interessante Informationen zur Umgebung. Zudem bietet eine geführte Tour größte Sicherheit: Die Guides sind mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut und können potenzielle Gefahrensituationen einschätzen. Bei einer geführten Schneeschuhwanderung hat man den Vorteil, sich voll und ganz auf das Erlebnis einlassen zu können, während sich der Guide um die Navigation oder Orientierung kümmert. So wartet ein entspanntes Naturerlebnis auf alle Teilnehmer.“
Zurück zum „Sonnenaufgang am Feldberg“: Nach einem fantastischen Bergfrühstück im Raimartihof, einen Katzensprung vom wasserreichen Feldsee entfernt, geht es gemächlich bergauf, der „Westweg“ kreuzt, der „Feldbergsteig“ schlängelt sich in Spitzkehren nach oben.
Kurz vor der Talstation am Seebuck halten wir als kleines Grüppchen nochmal inne. Monika und Thomas finden nach rund fünf Stunden Tour abschließende und herzliche Worte. Sie freuen sich auf den Winter, aber genauso auch auf goldene Herbsttage, naja, eigentlich auch auf das Frühjahr bis März, denn da kann man ein wenig später starten, um den Sonnenaufgang zu sehen. Und zack stehen schon die schönen Marathon-Wanderungen im sommerlichen Kaiserstuhl an. Ich lächele und behalte es stundenlang. Monika und Thomas sind beide im Draußen zuhause – da spielt die Jahreszeit natürlich eine Rolle, aber immer eine positive.
Über den Autor
Jens Grosskreuz
Jens Grosskreuz ist der Allrounder im Team der STG und ständig auf Achse.
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