Urwald am Rhein
Mehr als 200 Vogelarten, 9.500 Reptilienarten und 1000 verschiedene Käferarten bevölkern das 17 Quadratkilometer große Naturschutzgebiet Taubergießen am Altrhein bei Rust. Ein Juwel des Artenreichtums unweit von Deutschlands größtem Freizeitpark und ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der der Oberrhein noch nicht begradigt war.
Ein Streifzug von Chris Keller
Der fast tropisch anmutende Auenwald und die verschlungenen Flussarme im Taubergießen erinnern heute noch an den ursprünglichen Verlauf des Rheins. Bevor dieser im 19. Jahrhundert von dem badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla begradigt wurde, mäanderte der Rhein durch die Oberrheinebene, trat regelmäßig über die Ufer und setzte die angrenzenden Auenwälder unter Wasser.
Durch die Begradigung wurden viele Seitenarme des Rheins abgeschnitten, die fehlende Bewässerung und der sinkende Grundwasserspiegel führten zum Absterben der Auenwälder. Zurück blieb das viertgrößte Naturschutzgebiet in Baden-Württemberg: der Taubergießen zwischen Rheinhausen und Schwanau, unweit von Rust am Westrand des mittleren Schwarzwaldes.
Lebensraum für zahlreiche Flussbewohner
Schon der Name verrät einiges über die Ökologie das Gebiets: Der Taubergießen ist einer der zahlreichen Gewässerläufe und Flussarme, der dem Naturschutzgebiet seinen Namen gibt. „Gießen“ sind unterirdisch fließende Stromanteile, die mit dem Grundwasser fließen und hier an die Oberfläche drängen. Das nährstoffarme Grundwasser wurde von den Fischern als „taub“ bezeichnet. Es kommt aus den höheren Lagen des Schwarzwaldes und sammelt sich in einem riesigen Grundwasserreservoir unterhalb des Rheins. Von dort nimmt es den Weg des geringsten Widerstands, tritt in den Gießen wieder an die Erdoberfläche und wird zum Lebensraum für zahlreiche Flussbewohner wie zum Beispiel Krebstiere.
Ökologische Nische
Eisvogel, Wildpferde und Co
Lebensräume zu schaffen ist nicht nur eine der wichtigsten Aufgaben der vielen Flussarme, sondern des ganzen Naturschutzgebietes und der angrenzenden Elzwiesen. Da diese nur einmal im Jahr gemäht werden, finden über die Sommermonate zwischen den hohen Gräsern unzählige Insekten, Vögel und sogar Wildschweine ein neues Zuhause. Das trockene, milde Klima und die staunassen Böden lassen hier auch rund 24 Orchideenarten sprießen.
Auffällig neben den vielen kleinen Bewohnern sind die Rinder und Wildpferde, die im Taubergießen grasen. Durch das Abgrasen entstehen immer wieder neue ökologische Nischen für Vögel, Amphibien und Insekten, wobei die dort bereits lebenden Tiere nicht vertrieben werden. Der Dung der Rinder zieht viele Insekten und Maden an, die wiederum als Nahrungsmittel für die vielen Vögel dienen.
Besondere Artenvielfalt
Der Taubergießen bringt durch seine Lebensräume eine Artenvielfalt hervor, die es sonst nur noch in wenigen Teilen Deutschlands auf so engem Raum gibt. Um auf einer Entdeckungstour einen seltenen Eisvogel zu erspähen, braucht es allerdings schon etwas Glück und ein geübtes Auge. Aber die Fülle und Vielfalt an Vögeln ist unüberhörbar.
Zu Fuß, mit dem Fahrrad, Kanu oder einem Stocherkahn lässt sich das Naturschutzgebiet erkunden. Auf den gut ausgebauten Wegen und den vielen kleinen Brücken, die über die Seitenarme führen, sind Tourenradler und Mountainbiker bestens aufgehoben. Ein guter Ausgangspunkt für eine Erkundungstour ist die Zuckerbrücke unweit von Rust.
Bei der Zuckerbrücke starten auch die Stocherkahn-Touren mit einem ortskundigen Bootsführer. Alle Entdecker, die selbst ein Boot durch die Auenlandschaft steuern wollen, können eine Kanutour buchen oder selbst ihr Boot an den vorgegebenen Stellen zu Wasser lassen. Sowohl an Land als auch im Wasser gilt jedoch: Die vorgegebenen Wasser- und Landwege nicht verlassen!
Anlaufstelle: Naturzentrum Rheinauen
Ausführliche Infos zu Umweltpädagogik, zukunftsorientiertem Naturschutz und nachhaltiger Forstwirtschaft finden die Besucher im Naturzentrum Rheinauen der Gemeinde Rust. Das Angebot ist einfach verständlich und besonders gut für Kinder aufbereitet: Das Erleben der Natur sowie der spielerische und forschende Aspekt stehen immer im Vordergrund – egal ob bei einer Tour mit dem Ranger, in der Falknerei oder bei einem Besuch in Deutschlands erstem Klimawandelgarten. Denn nirgendwo kann man Natur so gut studieren wie eben in der Natur selbst.
Vom Aussichtsturm auf dem Gelände des Naturschutzzentrums bietet sich den Besuchern eine weite Aussicht über die Elzwiesen und das Naturschutzgebiet bis zum angrenzenden Europa-Park. Weitere Infos unter Tel. 07822.864536, www.naturzentrum-rheinauen.eu
Über den Autor
Chris Keller
Als Volontär bei der STG hat Chris Keller den Schwarzwald nicht nur mit Worten in Szene gesetzt, sondern allen voran in großartigen Bildern und Videos. Und das macht er nun auch mit anderen Destinationen auf der ganzen Welt.
{{=it.label.text}}
{{=it.label.author}}