Trinkt Wasser! - Auf Trinkbrunnen-Tour in Karlsruhe
Die Sommer werden immer heißer – und Trinkbrunnen in den Städten wichtiger. Woran man sie erkennt, wer sich darum kümmert und woher das Wasser kommt, das kann man in Karlsruhe bei einem geführten Stadtspaziergang erfahren. Von Claudia List
Alle Tische auf dem Ludwigsplatz sind besetzt. Die Auswahl an Cafés, Restaurants und Bars ist groß, der Ort beliebt bei Einheimischen wie Besuchern. Sie plaudern, genießen die Nachmittagssonne und ihre erfrischenden Getränke. In der Mitte des Platzes steht Thomas Frank mit einer Gruppe von Menschen. Sie löschen ihren Durst auf eine andere Weise: Am Wasserstrahl des Brunnens aus Sandstein füllen sie ihre Becher und trinken daraus.
Der Brunnen aus Sandstein wurde vom berühmten Karlsruher Baumeister Friedrich Weinbrenner entworfen, erinnert an eine gotische Kirchturmspitze im Kleinen – und er ist eine von sechs Stationen der Führung »Trink Wasser!«. Eine Aufforderung, der die Teilnehmerinnen – an diesem Tag haben sich nur Frauen angeschlossen – gerne nachkommen. Guide Thomas Frank, ein hochgewachsener junger Mann, erzählt unterwegs von der Geschichte der Brunnen und der Wasserversorgung der Stadt. Auf seinem wasserblauen T-Shirt ist »Leitungswassertrinker*in« zu lesen und auf seiner Tour will er vermitteln, woran man Trinkbrunnen erkennt und dass sie in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger werden. »Hier in Karlsruhe bekommen Sie auch eine Top-Wasserqualität«, bekräftigt er.
In der Tat ist es sehr bequem, beim Stadtbummel an einem solch warmen Tag, an dem man ohnehin mehr als sonst trinken sollte, seinen Becher unter eine der beständig sprudelnden Quellen zu halten. Rund 300 Brunnen gibt es in Karlsruhe, wie die Teilnehmerinnen der Tour erfahren. Und, was Thomas Frank noch wichtiger ist: Aus 36 fließt bestes Trinkwasser.
Woran man das erkennt? Er deutet auf ein kleines quadratisches Schild, das am Beckenrand des Ludwigsbrunnens auf dem Marktplatz prangt und leicht übersehen werden kann. Es zeigt Wasser, das aus einem Rohr ins Glas fließt, dazu die Aufschrift »Trinkwasser«. Dasselbe Symbol – allerdings durchgestrichen – kann man entdecken, wenn im Frühjahr die Brunnen nach der Winterpause wieder in Betrieb genommen und die Leitungen erstmal ordentlich durchgespült werden müssen.
In der Mitte des Brunnens thront Großherzog Ludwig I. von Baden auf einem hohen Sockel. »Er gilt als Förderer der Wasserkultur und hat 1825 die Polytechnische Schule, die heutige Universität Karlsruhe, gegründet«, sagt Thomas Frank und erzählt aus den Zeiten, als noch nicht jeder bequem zuhause seinen Hahn aufdrehen konnte. Die adelige Residenz musste natürlich gut versorgt werden, dafür entstand 1716 ein erstes kleines Wasserwerk.
Der Durchbruch kam 1824, als man in Durlach am Fuß des Geigersbergs eine Quelle entdeckte. Der Markgraf ließ eine über vier Kilometer lange Leitung bauen, über die fortan das kostbare Nass nach Karlsruhe gepumpt wurde – die sogenannte Residenzwasserleitung. »Sie gab auch den Startschuss für die vielen Brunnen in der Stadt«, sagt Thomas Frank.
1871 entstand das erste große Wasserkraftwerk im Durlacher Wald. »Heute haben wir hier vier Wasserwerke, die die Versorgung sicherstellen. Auch das Technologiezentrum Wasser, ein weltweit führendes Forschungszentrum, ist in Karlsruhe angesiedelt«, sagt Frank, »die Tradition als Wasser- und Brunnenstadt wird also mit modernen Mitteln fortgeführt.«
Mit Eröffnung der Residenzwasserleitung wurde 1824 auch der Ludwigbrunnen auf dem Marktplatz eingeweiht – allerdings noch ohne Statue des Großherzogs, die von Aloys Raufer stammt und erst 1833 aufgestellt wurde. Immer wieder halten Passanten an und erfrischen ihre Hände und Arme am Wasser, das aus vier Rohren sprudelt. Zwar gibt es um den Brunnen wenig Bänke und Bäume, die in Zeiten des Klimawandels sinnvoll wären. »Aber man sieht selbst hier, dass Brunnen oft Orte mit einer hohen Aufenthaltsqualität
sind«, sagt der Guide.
Ein besonders schönes Exemplar ist der von Konrad Taucher 1905 gestaltete »Wasserschöpfende Knabe« vor der Kleinen Kirche an der Kaiserstraße. Die Bronzefigur zeigt einen knienden Jungen, den Blick auf die Schale in seiner Hand gerichtet, in die das Wasser fließt. Thomas Frank erzählt von der als Folge der Industrialisierung entstandenen Reformbewegung. Natur spielt bei ihr eine sehr wichtige Rolle und die Faszination fürs Wasser war groß. »Deshalb findet man auch bei den Werken der Künstler aus dieser Zeit viele Motive mit Bezug zum Wasser«, sagt Frank und deutet auf die Muscheln, die das steinerne Becken zieren.
Um Wasserwissen spielerisch zu vermitteln, hat er auch ein paar Quizfragen mitgebracht. Wie viel Prozent des weltweiten Wassers trinkbar ist, lautet eine davon. Mehrere Antworten bis zu »rund 50 Prozent« stehen zur Wahl, doch tatsächlich sind es nur weniger als drei Prozent. Dank seines großen unterirdischen Süßwasserbeckens im Oberrheingraben, von dem Thomas Frank erzählt, ist Karlsruhe in einer komfortablen Situation.
Seine Begleiterinnen erfahren im Quiz außerdem, dass die Stadtwerke die Qualität des Trinkwassers täglich kontrollieren und dass sich das Gartenbauamt um den Unterhalt der Brunnen kümmert. Sollte also mal einer verdreckt sein, wendet man sich am besten dorthin. Auch Brunnenpaten gibt es, die regelmäßig kontrollieren, selbst mal was aus dem Wasser fischen und wenn nötig das
Gartenbauamt informieren. Sie gehören der Europäischen Brunnengesellschaft an, deren Vorstand Thomas Frank ist.
Außerdem ist er Mitglied des Vereins »a tip: tap«, ein Wortspiel, das sinngemäß »ein Tipp: Leitungswasser« bedeutet. Zu seinen vielen Aktivitäten rund ums Wasser gehört die Führung zu den Trinkbrunnen. Über die Europäische Brunnengesellschaft mit Sitz in Karlsruhe kann man sich auf www.brunnengesellschaft.org informieren, über die Arbeit des Vereins »a tip: tap« und die Vorteile von Leitungswasser auf www.atiptap.org.
Für Karlsruhe Tourismus wiederum ist die Zusammenarbeit ein Weg, um in der Stadt, die als nachhaltiges Reiseziel zertifiziert ist, Besuchern und Einheimischen Klimathemen und die Bedeutung kostbarer Ressourcen näher zu bringen. Auf ganz praktische und sinnliche Weise geschieht dies unterwegs durch die Kostproben, die alle Teilnehmerinnen an jedem Brunnen trinken. Am Lidell-Brunnen erfahren sie von Thomas Frank, dass das Trinkwasser überall gleich ist und aus allen vier Wasserkraftwerken zusammengemischt wird. Trotzdem können alle feststellen, dass es Unterschiede im Geschmack gibt, die wohl auf die verschiedenen Rohre an den Brunnen zurückzuführen sind. Am Ende der Tour sind jedenfalls alle um viel Trinkwasserwissen reicher – und überzeugt, dass das Wasser aus dem Lidell-Brunnen am allerbesten geschmeckt hat.
Über die Autorin
Claudia List
Claudia List hat Journalismus und Betriebswirtschaft studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und viele Jahre als Reiseredakteurin bei einer Wochenzeitung gearbeitet. Sie lebt in Stuttgart und schreibt als freie Journalistin in Zeitungen, Magazinen und Büchern über die erlebnis- und genussreichen Seiten Baden-Württembergs. Dabei haben es ihr besonders die Mittelgebirge im Lande angetan. Sie ist Chefredakteurin eines Magazins über die Schwäbische Alb, schreibt aber genauso gern über die spannenden Themen, die der Schwarzwald bietet: Dafür verbringt sie mit Vergnügen eine Nacht im Baumzelt, wandert durch die Landschaft, folgt den Spuren eines Dichters, trifft Winzer sowie andere Genusshandwerker und besucht Dorfgasthäuser.
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