Neue Bäume braucht der Wald
Der Klimawandel setzt den heimischen Baumarten immer mehr zu. Welche Arten den Schwarzwald der Zukunft prägen werden, ist Gegenstand der Forschung. Einer neuen Vielfalt werden aber gute Chancen ausgerechnet. Von Reinhold Wagner
Stechpalmen und Esskastanien, Zwergpalmen und Buchsbäume, Flaumeichen und Wein – es gab schon einmal eine Zeit, in der im Schwarzwald mediterrane Einflüsse eine neue Heimat fanden. Es war die Ära der römischen Besiedlung. Steuert die Flora des Schwarzwalds in Zeiten der Klimaerwärmung künftig in eine ähnliche Richtung und wird zunehmend mediterran?
Die kurze Antwort auf diese komplexe Frage: Sicherlich nicht flächendeckend und überall. Doch der Wald und seine Baumartenzusammensetzung werden sich mittel- bis langfristig den sich ändernden klimatischen Bedingungen anpassen, da sind sich die Experten einig.
Besonders in den südexponierten Randlagen könnten sich Hartholzwälder entwickeln und ausdehnen, wie sie einst für den gesamten Mittelmeerraum typisch waren. Dort sind sie längst durch großflächige Abholzungen verschwunden.
Einzigartige Besonderheiten in Deutschland
An den südlichsten Ausläufern des Schwarzwalds, bei den Rötelsteinfelsen nahe Grenzach-Wyhlen, finden sich nur noch Spuren ehemals üppiger Buchswälder. Und im südlichen Markgräflerland nahe Istein konnten sich über lange Zeit letzte, kleinflächige Refugien der an extreme Trockenheit und Sonnenexposition angepassten Flaumeichenwälder halten. Leider sind beide für ganz Deutschland einzigartigen Besonderheiten durch massiven Schädlingsbefall wie den Buchsbaumzünsler und einen Pilz heute vom Aussterben bedroht. Für sie könnte die Rettung zu spät kommen. Bernd Künemund vom „Referat für Naturschutz und Landschaftspflege“ beim Regierungspräsidium Freiburg sieht dies mit Sorge: „Von den Buchswäldern gibt es nicht mehr viel. Der Buchs ist im Grunde weg.“
An anderen Standorten sind es heimische Baumarten, die unter der zunehmenden Dürre und Hitze leiden. So benötigt beispielsweise die Esche schweren, feuchten Boden, wie er sich häufig entlang von Bachläufen und in Au- und Schluchtwäldern verteilt über den gesamten Schwarzwald findet. Dieser schwarzwaldtypischen Baumart aber setzt seit einigen Jahren das Eschentriebsterben stark zu, sodass der Naturpark Südschwarzwald und der Landschaftserhaltungsverband (LEV) Breisgau-Hochschwarzwald vor zwei Jahren das Modellprojekt „Flatterulmen aus dem Naturpark Südschwarzwald“ ins Leben riefen. Dabei wird Saatgut von heimischen Flatterulmen geerntet, in einer Baumschule herangezogen und dann verkauft und eingepflanzt – vorzugsweise überall dort, wo bislang Eschen wuchsen.
Das Besondere dabei ist, dass die beiden Arten ähnliche Standortansprüche haben, die Flatterulme ebenso erhaltenswert, aber weit weniger anfällig ist als die Esche. Und beide sind heimisch.
Für Neophyten hingegen, also standortfremde Arten, stellt sich immer erst einmal die Frage: „Überwiegen die Vorteile der Klimatoleranz und der Schädlingsabwehr gegenüber den Nachteilen, die sich dadurch ergeben können, dass die Pflanzen hier keine natürlichen Gegenspieler haben und daher möglicherweise ungebremst wachsen und andere, heimische Arten verdrängen?“
Douglasie, Robinie und Co.
Wie sieht die Zukunft aus?
Zu den Baumarten, denen Förster und Biologen ein recht gutes Zeugnis ausstellen, gehört die Douglasie. Zwar kommt sie ursprünglich nicht im Schwarzwald vor, sondern wurde aus Nordamerika eingeführt. Doch sie wächst schnell und liefert qualitativ hochwertiges Holz. Gute Argumente, die schädlings- und sturmgefährdeten Fichtenmonokulturen, die lange Zeit weite Teile des Schwarzwaldes beherrschten, Zug um Zug in weit nachhaltigere Mischbestände umzuwandeln.
Zu den eingebrachten Baumarten mit guten Voraussetzungen an künftige Klimakapriolen zählen auch die Robinie und die nordamerikanische Roteiche. Die Empfehlung der Fachleute: Möglichst große Vielfalt schaffen und die Entwicklungen genau beobachten. Das erhöht die Chance, heute noch nicht absehbare Bedrohungen – ein eingeschleppter Pilz oder eine auf eine bestimmte Art spezialisierte, pflanzensaugende Tierart – besser zu verkraften.
Wichtige Evaluation
Ging man lange Zeit noch davon aus, die Buche sei die Baumart, welche die zunehmende Wärme und Trockenheit am besten vertragen würde, „weiß man heute, dass sie schon jetzt vielerorts an ihre Grenzen stößt“, so Jörg Ziegler, der ehemalige Fachbereichsleiter für Wald und Natur im Nationalpark Schwarzwald im Rahmen einer Begehung im Jahr 2019 mit dem damaligen Umweltminister Franz Untersteller.
Fachleute wie er werfen ihr Augenmerk stets auf die Keimlinge, die im Unterholz heranwachsen: „In den unteren Lagen des Nationalparks ist deutlich zu sehen: Die Fichte zeigt in dunklen, stark beschatteten Unterständen nur noch geringen Zuwachs von vielleicht fünf Zentimetern pro Jahr. Buche, Tanne, Bergahorn, Vogel- und Mehlbeere dagegen warten schon im Unterholz auf ihre Gelegenheit, vorzurücken.“ Sein Fazit daraus: „Wir wollen der Natur ein Samenpotential zur Verfügung stellen. Sie soll dann selbst entscheiden, was sie daraus macht.“
Zum Charakterbaum des Schwarzwalds schlechthin, der Weißtanne, fügte er an: „Sie ist bereits bis nach Süditalien ausgewandert und dort oft als Trockentanne zu finden. Kommt sie von dort angepasst wieder zu uns zurück, könnte sie viel besser an den künftigen Klimawandel in unseren Breiten angepasst sein.“
Thomas Waldenspuhl, Leiter des Nationalparks Schwarzwald, sieht es daher so: „Der Wald stirbt nicht. Aber die Bilder, die wir von unserem Wald im Kopf haben, werden sich ändern.“
Eher weniger menschliche Einflussnahme
Auch Christoph Huber, der im Biosphärengebiet Schwarzwald für den „Fachbereich Naturschutz, Landschaftspflege, Forschung und Monitoring“ zuständig ist, rät von zu viel menschlicher Einflussnahme ab: „Die Sorge und das Bemühen um klimastabile Wälder treibt teilweise seltsame Blüten wie das Pflanzen der Libanonzeder im Belchengebiet. Das Erproben ‚neuer‘ Baumarten wird einerseits nicht in Abrede gestellt, und es gibt im Raum Freiburg auch Versuchsflächen. Andererseits wird auf die heimischen Gehölze wie Feldahorn verwiesen.“
Für die Pflanzversuche und die begleitende Forschung zuständig ist die „Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg“ (FVA), die ihren Hauptsitz in Freiburg hat. Prof. Dr. Ulrich Kohnle, Leiter der Abteilung Waldwachstum der FVA, beschreibt deren Beobachtungen und Vorgehensweise so: „Was man sieht, sind Schadflächen wie derzeit massiv im Landkreis Waldshut-Tiengen im südlichen Schwarzwald oder am Lotharpfad im nördlichen Schwarzwald. Veränderungen aber werden nur im Vergleich sichtbar. Die FVA legt daher seit ihrer Gründung vor rund 150 Jahren Versuchsflächen an und beobachtet, welche Arten die dort leidenden sinnvoll ergänzen. Es geht nicht darum, sie zu ersetzen und alles zu regeln. Aber dass sich der Wald ändern muss, wissen wir. Und dieser Wandel wird sich beschleunigen um 10 bis 20 Jahre. Es wird künftig mehr Laubbäume im Schwarzwald geben und mehr Mischwälder. Einfach, weil Fichte und Weißtanne größere Probleme haben als viele Laubbaumarten.“
Um potentielle Kandidaten zu testen, werden auf kleinen Freiflächen seltene heimische, europäische und auch vielversprechende Arten aus aller Welt angebaut. Welche Arten sich künftig durchsetzen, wird die Zukunft zeigen.
Über den Autor
Reinhold Wagner
Reinhold Wagner ist freier Autor, Text- und Bildjournalist aus Freiburg. Er schreibt und fotografiert für Magazine, Bücher und Sonderseiten der Zeitung, um seine Erlebnisse in zeitlosen Reportagen mit möglichst vielen Lesern zu teilen. Ob E-Bike, Segway, Zipline oder Kajak, Abheben im Ballon oder Abtauchen ins Bergwerk – der Outdoor-Fan, Biologe und Naturfreund ist überall mit dabei. Er kennt und erlebt den Schwarzwald und die Regio immer wieder von Neuem aktiv, mit allen Sinnen und aus ständig wechselnden Perspektiven.
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