Schwarzwaldbahn - Triebfeder für den Tourismus
Die Streckenführung des Planers Robert Gerwig durch Tunnel, über Viadukte und Kehrschleifen gilt als herausragende Ingenieursleistung, denn die Landschaft des mittleren Schwarzwalds ist geprägt durch breite Täler und steil ansteigende Hänge. Auch für die Entwicklung des Tourismus spielte die Schwarzwaldbahn eine wichtige Rolle.
Um die Bedeutung der Badischen Schwarzwaldbahn – es gibt auch eine Württembergische Schwarzwaldbahn von Stuttgart nach Calw, die bereits 1872 eröffnet wurde – in gleich mehreren Aspekten einordnen zu können, lohnt zunächst ein Blick auf die Geschichte der Eisenbahnentwicklung im Schwarzwald.
Rheintalbahn – erste Bahnstrecke im Schwarzwald
Die erste Dampfeisenbahnlinie in Deutschland von Nürnberg nach Fürth wurde am 7. Dezember 1835 in Betrieb genommen. 1838 begann das Großherzogtum Baden mit dem Bau der Rheintalbahn: Sie verläuft in der Ferienregion mit nur geringem Gefälle am flachen Westrand des gebirgigen Schwarzwalds meist geradeaus und war daher verhältnismäßig schnell zu bauen. Bereits 1840 wurde die Strecke Mannheim-Heidelberg in Betrieb genommen, 1843 war Karlsruhe angeschlossen, 1844 folgte Offenburg und im August 1845 war Freiburg mit der Dampfeisenbahn zu erreichen. Die Rheintalstrecke wurde 1848 bis Efringen, 1851 bis Haltingen und 1855 bis Basel verlängert.
Beim Bau der Rheintalbahn ging es vor allem um volkswirtschaftliche und machtpolitische Erwägungen, da die Rheintalstraße die Hauptverkehrsader des Großherzogtums Baden war und die Gefahr bestand, durch die linksrheinische Eisenbahn im Elsass abgehängt zu werden. Durch die Rheintalbahn entwickelte sich die Postkutsche vom bisher wichtigsten Verkehrsmittel zum Zubringer der Eisenbahn und stellte vom Fern- auf den Nahverkehr um. Ergebnis dieses Wandels war die Erschließung vieler auch abgelegener Ortschaften im Schwarzwald durch einen fahrplanmäßigen Postverkehr. Mobilität war zu dieser Zeit aber fast rein berufs- und wirtschaftsbedingt, touristisches Reisen zur Erholung und als Luxus etablierte sich erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Schwarzwaldbahn – technische Meisterleistung und Erschließung des Mittelgebirges
Mit der Schwarzwaldbahn sollte auch das Mittelgebirge erschlossen und der Anschluss an den Bodensee hergestellt werden. Mit der Planung der rund 150 Kilometer langen Strecke von Offenburg bis Singen wurde Robert Gerwig (1820-1885) beauftragt, ein Pionier und Alleskönner: Er entstammte einer Karlsruher Beamtenfamilie, glänzte schon früh durch hervorragende Ingenieursleistungen, war zeitweise Direktor der Uhrmacherschule in Furtwangen, gilt als einer der geistigen Väter der Kuckucksuhr und war später maßgeblich am Bau der ebenfalls als technische Höchstschwierigkeit geltenden Schweizer Gotthardbahn und der Höllentalbahn im Schwarzwald beteiligt.
Neben der technischen Herausforderung ging es auch darum, nicht durch württembergisches Gebiet – Königreich Württemberg und Großherzogtum Baden waren damals zwei selbständige Staaten – zu bauen, Schramberg etwa gehörte zu Württemberg.
Als Herzstück der Schwarzwaldbahn gilt der Abschnitt zwischen Hornberg, Triberg und Sommerau bei St. Georgen, auf der die Bahn 448 Höhenmeter überwindet mit einer maximalen Steigung von zwanzig Promille und somit keine Steilstrecke enthält. Möglich war das nur durch einen ingenieurstechnischen Kniff: Die elf Kilometer Luftlinie zwischen Hornberg und Sommerau dehnte Gerwig auf eine Bahnstreckenlänge von 26 Kilometern. Dazu mussten Kehrschleifen gebaut werden – es ist dasselbe Prinzip, mit dem man beim Wandern einen steilen Weg vermeiden kann: In Serpentinen geht es sich leichter. Zudem wurden insgesamt knapp 40 Tunnel in die Felsen getrieben, mehr davon auf so wenigen Kilometern gibt es bei keiner anderen Bahnstrecke Deutschlands. Der Vorteil: Je mehr die Trasse in den Berg ging, desto weniger waren die Gleise später durch Erdrutsche, Steinschlag, Schnee, Eis und Schmelzwasser gefährdet (technisch- und witterungsbedingte Störungen gibt es bis heute dennoch immer wieder).
Seit dem Herbst 1863 wurde abgesteckt und vermessen, am 1. April 1865 begann der eigentliche Bau unter Leitung Gerwigs. Gebaut wurde von den beiden Endpunkten her: Im Juli 1866 war die Strecke Offenburg-Hausach fertig, im September 1866 Singen-Engen, im Juni 1868 Engen-Donaueschingen, im August 1869 Donaueschingen-Villingen. Die damals technisch anspruchsvollste Gebirgsstrecke im Schwarzwald zwischen Hausach und Villingen wurde am 10. November 1873 eröffnet. Damit war erstmalig das Innere des Schwarzwaldes mit einer Eisenbahnlinie – insgesamt überwindet die Bahn gut 650 Höhenmeter – erschlossen worden. 1956 wurde auf der Schwarzwaldbahn Dieselbetrieb eingeführt, im Herbst 1977 war die gesamte Bahn elektrifiziert. Die Schwarzwaldbahn von heute ist eine durchgängige Verbindung von Karlsruhe über u.a. Offenburg, Gengenbach, Haslach, Hausach, Hornberg, Triberg, St. Georgen, Villingen, Donaueschingen, Immendingen, Engen, Singen (Hohentwiel), Radolfzell, Allensbach bis Konstanz und umgekehrt.
Ausflugstipps entlang der Schwarzwaldbahn
Start der eigentlichen Schwarzwaldbahn ist Offenburg mit seinem historischen Stadtkern. Von hier führt die Strecke ins Kinzigtal, sehenswert ist etwa die ehemalige Reichsstadt Gengenbach. Nach Süden, ins Gutachtal, geht’s ab Hausach. Der Bergfried, stärkster Turm der Burg Husen, grüßt überm Städtle, der Blick ins Kinzig- und Einbachtal und auf den Brandenkopf ist besonders schön. Im Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach lässt sich erleben, wie vor 600 Jahren im Schwarzwald gewohnt, gelebt und gearbeitet wurde.
In Hornberg können Besucher auf der Freilichtbühne ab 23. Juli 2023 wieder das „Hornberger Schießen“ nacherleben: „Piff-Paff!“ riefen die Hornberger 1564, nachdem sie statt für den Herzog für die Staubwolke einer Rinderherde Salut und somit all ihr Pulver verschossen hatten. In Triberg locken die höchsten Wasserfälle Deutschlands, schäumend und tosend stürzt das Wasser der Gutach in sieben Fallstufen 163 Meter hinunter ins Tal. Zudem führt der 12 Kilometer lange Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad anhand anschaulicher Beispiele in die Geschichte des Baus und die Besonderheiten der Bahn ein, im Triberger Schwarzwaldmuseum wartet eine Schwarzwaldbahn-Modelllandschaft mit Ausstellung zur Bahn.
In St. Georgen gibt das Deutsche Phonomuseum einen informativen Einblick in die traditionsreiche St. Georgener Phonoindustrie und die an Kuriositäten reiche Entwicklungsgeschichte der Phonotechnik. Von der Schwarzwaldbahn profitierte auch die alte Zähringerstadt Villingen mit ihrem gotischen Münster, beleuchtet wird die (uhren)industrielle Entwicklung der Region im Franziskanermuseum. Schwenningen, wo der Neckar im „Moos“ entspringt, wurde als Uhrenstadt zum Ausgangspunkt der Deutschen Uhrenstraße (seit 1972 gibt es die Doppelstadt Villingen-Schwenningen). Mit der Donauquellstadt Donaueschingen verlässt die Schwarzwaldbahn dann den zur Ferienregion Schwarzwald zählenden Bereich. Weitere Tipps gibt es unter www.schwarzwaldbahn.info
Bedeutung der Bahnstrecken für die Industrie und den Tourismus
Mit der Eisenbahn war das Transportieren von Waren sicherer, schneller und vor allem günstiger als mit den Postkutschen. Der Eisenbahnbau spielte daher eine wichtige Rolle für die Industrialisierung in Deutschland: Da Rohstoffe wie Kohle nun unabhängig von ihren natürlichen Vorkommen verfügbar waren, konzentrierten sich die neuen Fabriken an den Eisenbahnknotenpunkten. Die mit Wasserkraft gesegneten Mittelgebirge, zu denen auch der Schwarzwald zählt und die jahrhundertelang Schwerpunkte des Gewerbes waren, hatten dadurch das Nachsehen. Die Zentren der industriellen Entwicklung verlagerten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von den Mittelgebirgen in die Ebenen – der Bau von Bergbahnen kostete schließlich sehr viel mehr als der Neubau von Strecken in der Ebene. Für den Tourismus aber ist diese Entwicklung bedeutend und ein Glücksfall – gerade der so idyllische Schwarzwald, (scheinbar) abgehängt von der wirtschaftlichen Entwicklung, zieht die Touristen ab den 1860er Jahren verstärkt an. Mit dem 1906 gegründeten Badischen Verkehrsverband entstand ein erster Dachverband für den Tourismus in der Ferienregion und der Vorläufer der heutigen Schwarzwald Tourismus GmbH in Freiburg. Bereits 1864 schlug in Freiburg die Geburtsstunde des Schwarzwaldvereins.
Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auf Schienen bildete die Grundlage für die Mobilitätssteigerung Mitte/Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts: Neben dem Kurangebot und der Sommerfrische war es vor allem das Aufkommen des Wintersports, das die Schwarzwaldregion zu einer ganzjährigen Urlaubsdestination des internationalen Tourismus werden ließ. Eigens eingerichtete Aussichtswagen auf der Schwarzwaldbahnlinie und häufigere Fahrtzeiten am Wochenende richteten sich vornehmlich an ein touristisches Publikum aus den Städten.
Kein Wunder, dass immer mehr Schwarzwaldgemeinden in Petitionen an den badischen Staat den Anschluss an das Eisenbahn-Verkehrsnetz forderten. 1887 wurde der erste Abschnitt der noch heute faszinierenden und viel genutzten Höllentalbahn von Freiburg nach Neustadt eröffnet – die Bahn ist das letzte Werk Gerwigs und die steilste Hauptbahn Deutschlands. Sie brachte in den Jahrzehnten seit ihrer Entstehung unzählige Touristen in die Feldberg- und Seenregion und spielte wie die Schwarzwaldbahn ebenfalls eine herausgehobene Rolle für den Tourismus. Mit der KONUS-Gästekarte können Schwarzwaldurlauber übrigens alle Busse und Bahnen im ÖPNV in der mehr als 11.100 Quadratkilometer großen Ferienregion Schwarzwald kostenlos nutzen. Mehr Infos unter www.konus-schwarzwald.info