Gravel-Abenteuer auf fünf Rädern
Die geplante rund 100 Kilometer lange Gravel-Tour mit Singletrailer und vierjährigem Kind von Freudenstadt nach Freiburg führt uns in zwei Tagesetappen unterschiedlichster Wegbeschaffenheit über ehemalige Grenzen und gut 1000 Höhenmeter durch den frühlingsfrischen Schwarzwald. Von Jens Großkreuz
Prolog
Um gleich in der Früh starten zu können – wir werden die Zeit brauchen – sind wir schon am Abend zuvor mit der Bahn nach Freudenstadt angereist und haben im radfreundlichen „Bett+Bike“-Betrieb „Gasthaus am Park“ eingecheckt (www.gaestehaus-am-park-fds.de). Wir sind aufgeregt, machen einen Abendspaziergang in der Stadt und stärken uns mit des „Schwabens Leibspeise“: sagenhaft leckeren Spätzle mit Linsen und Saiten, direkt am größten Marktplatz Deutschlands – einem der Wahrzeichen Freudenstadts. Ja, hier sind wir noch im ehemals Württembergischen, Ziel ist das Badische, die Universitätsstadt Freiburg. Einmal diagonal durch den Schwarzwald graveln.
Vorneweg: Ich habe mich verliebt! Ja, mal wieder in den Schwarzwald und zudem ins Graveln – was mit ziemlicher Sicherheit auch am Equipment liegt: Jule und ich sind auf Centurion Crossfire Gravel 4000-Bikes mit Vaude-Taschen unterwegs. Unser Sohn Wim sitzt angegurtet und wohlgefedert in einem einspurigen Singletrailer von Tout Terrain. Alles „engineerd“ in Baden-Württemberg. Fühlt sich spitze an!
Egal wie offen das Abenteuer sein soll, mit Kind braucht es eine gewisse Vorplanung – unverhoffte Momente kommen ohnehin turnusmäßig. Also setze ich mich vor der Reise an den Laptop und lasse mir vom Schwarzwald Tourenplaner Strecken unterbreiten (www.touren-schwarzwald.info). Schwarzwald-Radweg; Naturpark-Gravel-Crossing; Kinzigtal-Radweg: Klingt alles super, aber die Höhenmeter schrecken mich ab. Ich bastle mir eine Mischung aus verschiedenen Radwegen. Mehr als fünf Stunden im Hänger möchte ich dem Kleinen nicht antun. Also organisiere ich die Tour so, dass wir nach rund 20 Kilometern eine längere Pause einlegen können – fiese Höhenpässe bügele ich aus und nehme Umfahrungen, gut 65 Prozent der Wegbeschaffenheit sind Asphalt. Am ersten Tag peilen wir den „Alternativen Wolf- und Bärenpark“ in Bad Rippoldsau-Schapbach als Zwischenhalt an. Für den zweiten Tag buche ich einen Lama-Weidebesuch in Biederbach.
Ein weiterer Begleiter ist die App Komoot – das gibt uns eine gewisse Ruhe in puncto Navigation. Unvorhersehbar sind jetzt nur noch Launen und Bedürfnisse von Wim. (Ja, am ersten Tag haben wir den Trailer gefühlt 100 Mal geöffnet und geschlossen, weil es immer „ganz“ dringende Angelegenheiten waren: Lutscher runtergefallen, zu warm, zu kalt, zu unverständlich sein Genuschel).
Tag 1: Freudenstadt – Bad Rippoldsau – Hausach (ca. 4 h; ca. 45 km; 400 hm)
9 Uhr, endlich geht’s los! Das opulente Schlemmer-Frühstück liegt etwas schwer im Magen, aber die Sonne scheint in Freudenstadt, das Klima ist angenehm frisch und wir starten unser kleines Abenteuer mitten auf dem Marktplatz. Ein paar Höhenmeter müssen wir überwinden und auf den Kienberg hoch. Auf Forstwegen scheppert der Schotter unter uns und wir fühlen uns ganz in unserem Element. Auf einer Höhe von gut 800 Metern ü. M. schlängeln wir uns auf fünf Rädern durch den Schwarzwald. Der Wald duftet, die Vögel zwitschern, überall leuchtend grüne Maiwipfel. Bald liegt rechts unter uns Bad Rippoldsau. Kurze Rast, in Gedanken fliegen wir übers Tal. Jetzt geht’s bergab! Vorbei an den Burgbachwasserfällen werden die Scheibenbremsen ordentlich eingefahren. Wir fühlen uns sicher. Hinunter mit lautem Geschrei sind wir nun bereit für eine Pause im „Alternativen Wolf- und Bärenpark“ (www.baer.de): In der Rettungsstation finden Bären, Wölfe und Luchse aus schlechten Haltungen ein neues naturnahes Zuhause. Wir schließen alles gut mit einem Drahtseil zusammen und flanieren durch den schönen Park, gönnen uns einen Cappuccino und der Kleine darf sich eine Münze prägen lassen als Souvenir.
Weiter geht’s immer entlang der Wolf – was für ein Fluss-Name! Stets leicht bergab rollen wir zackig vorbei an wunderschönen Bauernhäusern und frisch gemähten Weiden – egal wohin man schaut, alles ist sehr sauber und gepflegt. Wir geraten ins Schwärmen und leicht ins Schwitzen, da die kräftige Sonne das Wolftal von seiner schönsten Seite zeigt. Wer schneller unterwegs ist als wir, dem sei die Mineralienhalde Grube Clara in Wolfach-Kirnbach empfohlen (www.mineralienhalde.com): Dort kann man sich selbst auf die Suche nach seltenen Mineralien begeben. Wim war nicht gerade begeistert, dass das heute nicht mehr klappt. Nun mündet die Wolf in die Kinzig und wir befinden uns auf dem Kinzigtal-Radweg. Stolz und voller Bilderbuch-Eindrücke rollen wir an der Burg Husen vorbei nach Hausach in den Biergarten der „Eiche“. Der radfreundliche „Bett+Bike“-Betrieb empfängt uns mit Fahrradschuppen und köstlichem Drei-Gänge-Menü vom Naturpark-Wirt Christian Lauble (www.eiche-hausach.de).
Tag 2: Hausach – Biederbach – Waldkirch – Freiburg (ca. 5 h; ca. 50 km; 550 hm)
Es hat frühmorgens geregnet, aber der Himmel klart auf. Wir haben Respekt vor heute. Nach flachen zehn Kilometern kommt Hofstetten, hier geht’s bergauf. Wir müssen fast 500 Höhenmeter überwinden – da führt nix dran vorbei. Der Schwarzwald besteht aus Tälern und Höhen, Auf und Ab. Rückblickend hätte ich Wim wohl Kopfhörer aufsetzen müssen, weil ich geflucht und gejammert habe. Jule und ich haben uns immer wieder den insgesamt 30 Kilogramm schweren Anhänger geteilt, sodass wir irgendwann auch mal am stylischen „Hotel Munde Biereck“ (www.munde-biereck.de) eintreffen – erstmal Spezi für alle! Das Motto des Hotels machen wir uns zu eigen: „Hochfahren und runterkommen.“ Der Kleine hüpft auf dem Trampolin mit Blick übers Schuttertal.
Es fängt an zu tröpfeln, wir springen wieder auf die Bikes und fahren durch den Wald Richtung Biederbach. Hier haben wir ein Date mit Frau Herold – sie erklärt uns ihre Lamas. Wir fühlen uns inmitten der Tiere wie auf den Dächern des Schwarzwalds, denn vom Hof auf dem Schlegelsberg bietet sich ein 360-Grad-Panoramablick (www.lamas-in-präsenz.de). Wir haben Freude an der Pause, an der beruhigenden Wirkung der Lamas und am Lunchpaket der „Eiche“.
Die schlimmsten Steigungen liegen nun hinter uns. Ich kontrolliere alle Schnellspanner und Schrauben – jetzt geht’s auf feuchten Schotterpfaden bergab, Dreckspritzer garantiert. Meine Mountainbike-Erfahrung kommt mir bei der Abfahrt zugute! Wim hat vollstes Vertrauen in mich und wir pfeffern mit Freudengeschrei die Forstwege hinunter nach Elzach. Der Fluss Biederbach rauscht neben uns hinunter ins Tal. Nun haben wir genügend Kraft gesammelt, um mit strammen Oberschenkeln und schwachen Handgelenken nach Waldkirch zu brettern. Wir folgen der Elz und versprechen Wim ein riesiges Eis in Waldkirch. Tatsächlich hat er sich an der Landschaft satt gesehen und wir reichen ihm ein Hörbuch. Jule und ich geben Gas, wir wissen, dass das Ziel näherkommt und das beflügelt. Im schönen Waldkirch angekommen, beschließen wir Wim zuliebe, den Zug zurück nach Freiburg zu nehmen. Wir wollen sein Sitzfleisch im Anhänger nicht überstrapazieren. Es fühlt sich richtig an.
Epilog:
Die Wetterprognosen waren schlecht und trotzdem haben wir es durchgezogen. Wir sind mit leichtem Gepäck gefahren und ja, die Herbergen taten uns gut. Es war ein kleines Abenteuer mit Komfort, es war ein Ritt, bei dem man schon eine Portion Geduld haben sollte. Der Faktor Kleinkind im Anhänger ist nicht zu unterschätzen.
Im Schwarzwald erkämpft man sich die Höhen, jedoch bedankt er sich mit seiner klaren Luft und seiner berauschenden Weitsicht um ein Zehnfaches. Ein Tipp: Nehmt euch Zeit und steckt euch keine zu engen Deadlines. Gerade in Momenten, in denen Wim einfach mal raus und ein wenig durch den Wald streifen wollte, kamen auch wir zur Ruhe und sogen den Moment in uns auf. Einmal hat er gar nicht aufgehört, in den wolkendurchzogenen Himmel zu starren. Wir fragten ihn, was er sieht: Er meinte, dass ihn die Vulkanausbrüche am Himmel so faszinierten. Wir hielten inne und schauten ihm nach. Da kam mir der Spruch des griechischen Philosophen Demokrit in den Sinn: „Mut steht am Anfang des Handelns. Glück am Ende.“
Über den Autor
Jens Grosskreuz
Jens Grosskreuz ist der Allrounder im Team der STG und ständig auf Achse.
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