Willkommen im Waldbadezimmer

Waldbaden gilt in Japan als Therapie – und wird auch im Schwarzwald immer beliebter. Gäste finden hier mittlerweile viele Möglichkeiten, mehr über die gesunden Kräfte des Waldes zu erfahren und das Waldbaden bei geführten Touren auszuprobieren... 

Eine Einführung von Claudia List
 

Waldbadezimmer Bad Wildbad

Tür auf - Wasser braucht man im Waldbadezimmer nicht... – © Touristik Bad Wildbad/LOCHER Fotodesign&Manufaktur

Container

Eine Holztür steht einsam in einer von Bäumen gerahmten Lichtung. Wer die Tür öffnet, blickt wieder in den Wald – und auf zwei hölzerne Wannen, die zum Liegen einladen. Ohne Wasser, denn das braucht man zum Waldbaden nicht: Einfach reinsetzen, zurücklehnen und in Ruhe das Grün in allen Schattierungen und den leuchtend blauen Himmel betrachten. Der Wind wiegt die Äste wie Wellen im Meer. Raschelnd fallen Blätter zu Boden. Eine Fliege summt dicht über der Holzwanne hinweg. Es duftet nach Holz. Nur die Stimmen der Spaziergänger, die neugierig dem Hinweisschild „Waldbadezimmer“ gefolgt sind, unterbrechen die Gedanken.

Die Gemeinde Bad Wildbad im nördlichen Schwarzwald bietet auf ihrem Sommerberg ein Waldbadezimmer an für alle Gäste, die draußen zur Ruhe kommen wollen. Auch in Grafenhausen-Rothaus im südlichen Schwarzwald stehen auf dem Rundwanderweg „Wäldersinn“ mehrere Holzliegen fürs Waldbaden bereit – ein Teil davon mit seitlich angebrachten Trichtern, die die Geräusche der Natur verstärken sollen. Vielerorts gibt es außerdem Waldbade-Angebote mit Wildnispädagogen, Schwarzwald-Guides und Natur-Coaches. 

Nur ein aufgeblasener Trend?

In Japan gilt das Waldbaden, Shinrin-yoku, schon seit vielen Jahren als Therapie. Ärzte und Wissenschaftler sprechen davon, dass bereits nach relativ kurzer Zeit im Wald Blutdruck und Puls sinken und die Menschen weniger gestresst sind. Wichtig ist auch die Wirkung der Terpene, also der chemischen Substanzen in der Waldluft, die Informationen enthalten und mit denen Pflanzen untereinander kommunizieren. Laut Untersuchungen können diese bioaktiven Stoffe dazu beitragen, dass im Blut der Menschen, die sich im Wald aufhalten, die Zahl der Killerzellen, die Krankheitserreger aufspüren und befallene Körperzellen zerstören, steigt.

Mehr als Bäume umarmen 

Bewusst im Hier und Jetzt

In Deutschland wird der Wald mittlerweile ebenfalls therapeutisch genutzt: Wissenschaftler diskutieren bei Kongressen über das „Gesundheitspotenzial Wald“ und auf der Insel Usedom wurde der erste offizielle Kur- und Heilwald ausgewiesen.

Dabei braucht es nicht unbedingt ein Waldbadezimmer mit entsprechender Möblierung, sondern es geht vielmehr darum, sich Zeit zu nehmen, in den Wald einzutauchen und die Umgebung bewusst wahrzunehmen. Das kann man auf eigene Faust probieren und einfach mal in Ruhe auf dem Bänkchen sitzen, oder sich von Wildnispädagoginnen und -pädagogen, wie Christine Grabrucker, anleiten lassen.

Der Wald als Kraftquelle

Grabrucker aus Menzenschwand im südlichen Schwarzwald hatte ähnliche Programme schon früher unter dem Stichwort „Naturerfahrungen mit allen Sinnen“ angeboten. Das Waldbaden ist deshalb nichts Neues für sie, aber es interessieren sich viel mehr Menschen dafür, seit sie es auch so nennt. Dass es dafür den Trend aus Japan braucht, stört sie überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie ist dankbar für das Waldbaden, weil es für sie ein Türöffner ist: „Manche spüren dabei zum ersten Mal, dass der Wald eine Kraftquelle ist und sie Antworten in der Natur finden können.“

Einmal pro Woche nimmt sie Interessierte mit zum Waldbaden an einen besonderen Ort am Wasser, der in der Nähe ihres Heimatorts liegt. Sie beginnt zunächst mit „Gehen in der Stille“, dann folgen Naturmeditationen und Atemübungen, „damit man mehr im Hier und Jetzt ist“. Außerdem geht es darum, die Sinne zu schärfen, beispielsweise durch Barfußlaufen oder indem man die Augen schließt und sich auf die Geräusche konzentriert.

Wie gelingt "aktives Nichtstun"?

Auch Daniela Schneider aus Ettlingen bei Karlsruhe wandert seit vielen Jahren mit Gruppen durch den Wald. Als sie damit anfing, spürte sie bald, dass ihr Immunsystem gestärkt wurde und sie viel seltener unter Erkältungskrankheiten litt als in ihrem früheren Berufsleben als Bankangestellte. Dann stieß sie auf das Buch „Der Biophilia Effekt“ von Clemens Arvay und war fasziniert von den Heilkräften des Waldes, die er darin beschreibt. Das Thema packte sie – und nun widmet sie sich schon seit einigen Jahren in ihren Führungen nicht nur den essbaren Pflanzen, dem Wald als Apotheke und anderen Naturthemen, sondern auch dem Waldbaden.

Aber hat ein einfacher Waldspaziergang nicht denselben Effekt? Der sei natürlich auch gesund, doch die Wirkung beim Waldbaden gehe tiefer, wie Daniela Schneider erklärt. Durch Wahrnehmungsübungen und „aktives Nichtstun“ soll erreicht werden, dass endlich mal Stille im Kopf herrscht und das Kopfkino nicht läuft. „Der Sympathikus, also der Teil des Nervensystems, der in unserem Alltag oft aktiv ist, kommt durch die Übungen zur Ruhe, während der Parasympathikus, der für Entspannung sorgt, angeregt wird“, erläutert die Expertin. Dazu führt sie ihre Gruppen an besondere Plätze, die sie zuvor ausgesucht hat. Und nach dem Waldbaden stellt sie regelmäßig fest, dass ihre Begleiter wesentlich ruhiger geworden sind: „Ich sehe immer viele entspannte Gesichter.“

Claudia List

Über die Autorin

Claudia List

Claudia List hat Journalismus und Betriebswirtschaft studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und viele Jahre als Reiseredakteurin bei einer Wochenzeitung gearbeitet. Sie lebt in Stuttgart und schreibt als freie Journalistin in Zeitungen, Magazinen und Büchern über die erlebnis- und genussreichen Seiten Baden-Württembergs. Dabei haben es ihr besonders die Mittelgebirge im Lande angetan. Sie ist Chefredakteurin eines Magazins über die Schwäbische Alb, schreibt aber genauso gern über die spannenden Themen, die der Schwarzwald bietet: Dafür verbringt sie mit Vergnügen eine Nacht im Baumzelt, wandert durch die Landschaft, folgt den Spuren eines Dichters, trifft Winzer und andere Genusshandwerker und besucht Dorfgasthäuser.

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