Wach im Wald
Wer sich draußen bewegt, stärkt das Immunsystem und tut etwas für seine Gesundheit. Doch es muss nicht immer eine Tageswanderung zum Gipfel oder eine Mountainbiketour mit über 1000 Höhenmetern sein. Beim meditativen Wandern steht die bewusste Wahrnehmung im Mittelpunkt. Mit einfachen Übungen in der Natur kommen Körper, Geist und Seele in Einklang. Von Birgit-Cathrin Duval
Wer kennt das nicht? Da wandert man entlang blühender Kräuterwiesen und ist in Gedanken dennoch im Alltag: Job, Familie, die Waschmaschine, die dringend einer Reparatur bedarf. Ein Rucksack lässt sich bei einer Pause abstreifen, der Gedankenfluss läuft unverdrossen weiter. Das Problem: Wir sind nicht im Hier und Jetzt. Unsere Gedanken schweifen hin und her, wir können nicht abschalten, es fällt uns schwer, im Augenblick zu sein.
Die Landschaft, das Sprudeln einer Waldquelle, der Duft von frischen Kräutern – all das nehmen wir zwar wahr, doch weil sich das Bewusstsein mit unseren Gedanken beschäftigt und nicht das wahrnimmt, was wir mit unserem Körper erleben, entgeht uns die Fülle, die in diesem Augenblick steckt. Selbst nach einem ausgedehnten Wandertag in freier Natur fühlen wir uns innerlich leer und sind nicht entspannt, weil die Eindrücke unterwegs nicht in unser Bewusstsein vorgedrungen sind.
Um den Augenblick bewusst zu erleben, können wir einige kleine Übungen durchführen, die ich als meditatives Wandern bezeichne. Sie helfen uns, unsere Gedanken auf das Hier und Jetzt zu lenken. Regelmäßig praktiziert, erleben wir die Natur intensiver, vielfältiger und spüren, wie wir mit Körper und Geist zur Ruhe finden.
Auf der Suche nach der inneren Ruhe
Bewusst im Hier und Jetzt
Langsam gehen
In unserem schnelllebigen Alltag haben wir es verlernt, Dinge langsam zu tun. Sogar beim Wandern sind wir oft zu schnell unterwegs.
Die erste Übung lautet deshalb: Langsam gehen. Dazu suchen wir einen Feld- oder Wiesenweg auf. Wir gehen so langsam, als müssten wir uns bei jedem Schritt erstmal vergewissern, wo genau wir auftreten. Auf diese Weise zu schlendern wird anfangs schwerfallen. Bald aber merken wir, wie wir Schritt für Schritt entschleunigen, langsamer atmen und ein Bewusstsein für die Natur um uns herum entwickeln. Fangen Sie zunächst mit zehn Minuten an und steigern Sie die Übung in den kommenden Tagen bis auf 30 Minuten.
Atemtechnik
Beim Atmen verhält es sich wie beim Gehen. Wir atmen zu schnell und zu flach. Wir suchen uns nun einen ruhigen Platz abseits des Weges. Gerne auch auf einer Ruhebank. Im Sitzen achten wir auf eine aufrechte Haltung. Die Hände liegen entspannt auf den Oberschenkeln. Wer lieber stehen möchte, achtet auf einen festen, aber unverkrampften Stand, Arme und Hände bleiben locker hängen. Wir schließen die Augen. Dann atmen wir einen Atemzug tief durch die Nase ein und führen die Luft bis tief in den Bauch. Dabei fühlen Sie, wie sich ihr Bauch mit Luft füllt. Bleiben Sie beim Atem, folgen Sie ihm bis zum Ende. Dann atmen Sie langsam aus, spüren Sie ihren Atem, wie er durch ihre Nase hinausströmt. Bei jedem Atemzug konzentrieren Sie sich ausschließlich auf den Atem.
Zum Abschluss können Sie nun die beiden Übungen, das langsame Gehen und das bewusste Atmen miteinander verbinden. Auch hier gilt: Langsam beginnen. Anfangs genügen fünf bis zehn Minuten.
Meditation
Vor unseren Augen flackert es. Tagtäglich werden wir mit Bildern befeuert, die wir auf unseren Smartphones scrollen. Umso wichtiger ist es, einen Punkt zu finden, an dem wir verweilen lernen. Dazu eignet sich ein Baum, eine Blume oder ein Berg. Setzen Sie sich – falls möglich – auf den Boden oder eine Bank. Schließen Sie zunächst die Augen und führen die Atemübung durch.
Nach einigen Minuten öffnen Sie die Augen und betrachten den Berg oder den Baum. Folgen Sie den Höhenlinien, achten Sie auf Farben und Formen. Beim Baum konzentrieren Sie sich auf die Äste, Blätter, die Baumrinde. Beobachten Sie jedes noch so kleine Detail und verweilen Sie mehrere Minuten auf einer Stelle. Vergessen Sie dabei nicht tief ein– und auszuatmen.
Wenn Sie lieber etwas in Händen halten, suchen Sie sich einen Ast, einen Fichtenzapfen oder einen Stein, den Sie betrachten. Es geht bei dieser Übung ausschließlich um Wahrnehmung. Wenn Sie merken, dass Sie abgelenkt werden, konzentrieren Sie sich auf den Atem, er führt Sie wieder in den Augenblick zurück.
Im Hier und Jetzt
Alle drei Übungen helfen uns dabei, unsere Umgebung bewusster wahrzunehmen. Wir leben im Augenblick, wir sind im Hier und Jetzt in Körper und Geist. Wir riechen, schmecken, sehen, tasten und hören nun viel bewusster. Durch dieses Erleben gewinnen wir Lebensqualität, werden ruhiger und ausgeglichener. So gewinnt der Urlaub im Schwarzwald einen Mehrwert, von dem wir im Alltag noch lange zehren.
5 Wege, die sich zum meditativen Wandern empfehlen:
Start: Ebringen
Länge: 4 km, 300 Höhenmeter
Rundweg durch ursprüngliche Wälder mit seltenen Pflanzen- und Tierarten
Start: Muggenbrunn Campingplatz
Länge: 600 Meter
Pfad mit Naturboden und Materialien aus dem Wald, natürliches Kneippbecken am Bachlauf
- Naturerlebnispfad Hademar Waldwichtel
Start: Touristinformation Oberharmersbach
Länge: 2 Kilometer
Spielerisch-lehrreiche Wanderung mit 20 Stationen für Familien auf Trampelpfaden
Start: Wanderparkplatz Remsbach
Länge: 8 Kilometer
Entspannte Rundwanderung entlang von Wiesentälern und Hochebenen
Start: Marktplatz Altensteig
Länge: 13 Kilometer
Der Nagold entlang ins malerische Zinsbachtal zum Naturlehrpfad
Über die Autorin
Birgit-Cathrin Duval
Der Schwarzwald fängt bei Birgit-Cathrin Duval buchstäblich hinter der Haustüre an. Sie lebt am Fuß der beiden Wildsberge, zwei stolze 1000er im oberen Kandertal. Gemäß ihrem Motto „Verpasse niemals einen Sonnenaufgang“, steht sie frühmorgens am liebsten auf einem ihrer Gipfel. Sie erkundet auf alten, vergessenen Pfaden Berge und Wälder und schreibt Wanderführer, die spannende, kuriose, unheimliche und sagenhafte Geschichten über den Schwarzwald erzählen. Denn „ein Ort ohne Geschichte, ist wie Suppe ohne Salz“. @takkiwriteswww.takkiwrites.com
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