Der Koch mit der Kutte
Daniel Fehrenbacher und Thomas Merkle sorgen dafür, dass der SC Freiburg kulinarisch Champions League spielt. Worauf es dabei ankommt, hat der Lahrer Koch dem Herausgeber des Magazins #heimat Schwarzwald, Ulf Tietge, in seiner Küche verraten.
Am Samstag kommt Köln – und während Christian Streich seine Jungs zum Abschlusstraining bittet, steht Daniel Fehrenbacher inmitten seiner acht Köche mit einer armlangen Checkliste in der Küche des Adlers in Lahr-Reichenbach. Ist alles gerichtet? Die Maultaschen mit Rheinzander? Check! Wurzelgemüse? Oui, Chef! Zwiebelkaramell? Jep! Ebenso wie die Spätburgunder-Jus zum acht Stunden sanft geschmorten Ochsenbäckle.
Vier Gänge für die VIPs
Ein ganz normaler Abendservice ist das nicht, was Daniel und sein Team hier fabrizieren. Stattdessen geht es darum, erneut zu beweisen, dass es in den Logen vom Sportclub Freiburg das beste Stadioncatering Deutschlands gibt. Genau dafür sind Daniel Fehrenbacher und sein Partner Thomas Merkle (aus Endingen am Kaiserstuhl) verantwortlich. Die beiden Sterneköche schicken Spieltag für Spieltag ein Vier-Gänge-Menü für 450 Personen.
Das satte Aroma von fast 20 Kilo Spargel tränkt gerade den Raum, ein Hauch Fischfonds ist zu erschnuppern, dazu der süße Schmelz karamellisierter Zwiebeln, und wir lernen: In der Küche vom Adler wird parallel gearbeitet. Vier Mann bereiten das Catering für den Sportclub vor, die anderen sind mit dem Kopf beim Menü fürs Gourmet-Restaurant. Und um dabei den Überblick nicht zu verlieren, braucht es eben Checklisten …
Die Vorbereitungen für ein Samstags-Heimspiel beginnen für Daniel und sein Team meist schon am Mittwoch. 450 Maultaschen lassen sich schließlich nicht à la minute füllen, abkochen, anrichten und servieren. Erst recht nicht, wenn man auf Fertigprodukte verzichtet. „Wir bereiten alles vor“, sagt Daniel dazu. „Im Stadion wird die Maultasche dann nur noch schnell in den Dampf geschoben und angerichtet.“
Vier, fünf Handgriffe: Mehr darf es nicht sein, sonst ist das Pensum nicht zu schaffen. „Für Tom und mich war das schon eine Umstellung. Wir mussten uns drauf einstellen, das kleine Tröpfchen Öl und die dekorative Blüte als Topping einfach wegzulassen, um uns stattdessen aufs Wesentliche zu konzentrieren.“
Wenn alles glatt geht, haben Tom und Daniel zwei Stunden für ihr Menü. Jeder schickt zwei Gänge, produziert wird parallel in zwei Küchen. Nur geht halt nie alles glatt. „Stau zum Beispiel ist irgendwie immer“, sagt Daniel. „Und dann müssen wir uns ranhalten, damit alle Gäste noch ihr Essen kriegen.“ Dafür halten sich vom Adler acht Oberkellner und Serviceleiterin Antje Köbele ran, unterstützt von 30 bis 40 vom Sportclub engagierten Food-Runnern, die zwar super engagiert und freundlich sind, aber nicht immer zwei oder mehr Teller tragen können. „Man muss improvisieren“, sagt Antje ganz cool. „Aber das kriegen wir hin!“
Daniel hat früher selbst die Kickschuhe geschnürt. Für den SC Kuhbach-Reichenbach, aber so das ganz große Talent war er nicht. „Eher Mittelfeld und Mittelmaß“, sagt er. „Dafür war ich ein total verrückter Fußball-Fan. Wir waren bei jedem Spiel, sind immer auf der Nord gestanden und haben uns zwei Stunden vor Anpfiff die besten Plätze direkt hinterm Tor gesichert.“ Fast 30 Jahre ist das her, aber seine Jeans-Kutte mit den rot-weißen-Kordeln auf dem Rücken hat Daniel immer noch. Aufnäher erinnern an die große Zeit der Volker-Finke-Ära, an das 5:1 gegen Bayern zum Beispiel: „Den Patch hat mir damals meine Tante draufgenäht. ’94 war das? Wahnsinn, wie die Zeit vergeht!“ Ob das bei der Kür zum Stadionkoch geholfen hat? Eher nein, zumindest hat niemand danach gefragt.
Zurück in die Küche. Und zu den Wurzeln. Denn die Fehrenbachers und ihr Adler sind in Lahr eine Institution. „Mein Uropa hat mit dem Betrieb 1936 begonnen“, weiß Daniel, der heute wie so oft mit Vater Otto (dem dritten in der Reihe der Otto Fehrenbachers im Adler) in der Küche steht. Der Senior steht seit 54 Jahren hier, schneidet in aller Seelenruhe Ochsenbacken und ist stolz darauf, dass seit 34 Jahren über dem Haus ein Stern prangt. „Ohne Unterbrechung“, sagt er und schneidet das nächste Bäckle auf: Weiter! Immer weiter! „Wir kochen regional und saisonal“, sagt Daniel dazu. „Ehrliche Herzensküche. Kein Kaviar, keine Gänsestopfleber, das ist auch gar nicht gewünscht.“
Wie im Adler legt man aber auch im Stadion Wert auf eine herausragende Produktqualität. Dass der Zander für die Maultasche aus dem Rhein kommt (gefangen von Dr. Kuhn, einem der letzten hauptberuflichen Rheinfischer) ist kein Zufall. Wie aber wird man Stadionkoch? „Das ist unspektakulär“, sagt Daniel. „Fritz Keller hat uns angesprochen, als er noch Präsident war. Fürs alte Dreisamstadion. 60 Gäste. Das haben wir gern gemacht – und sind dann mit ins neue Europa-Park Stadion.“
Der Spieltag: Jetzt wird’s ernst!
Am Samstag trifft sich das Team gegen 9 Uhr in Lahr. Noch sechseinhalb Stunden bis zum Anpfiff, so reicht’s noch für einen gemeinsamen Kaffee und einen letzten Blick auf die Checkliste. Ist alles an Bord? Ja? Dan kann’s ja losgehen! „Spätestens sechs Stunden vor dem Spiel sind wir auf der Autobahn“, sagt Daniel. „Man weiß ja nie, was auf der A5 so los ist …“ Vier Stunden vor dem Spiel ist vor Ort alles ausgeräumt und verstaut. Höchste Zeit, die Öfen hochzufahren, denn zwei Stunden vor dem Spiel kommen die ersten Gäste, der Gruß aus der Küche darf raus, dann die Vorspeisen. Ab jetzt muss es Schlag auf Schlag gehen, denn wenn das Spiel beginnt, hat die Küche Pause.
Bis zu 25 Heimspiele haben die Breisgauer in einer Saison, manchmal sind es drei Spiele in zehn Tagen. „Danach gehen wir am Stock“, sagt Daniel. Denn nach dem Spiel ist noch lange nicht Feierabend. Bis alles verräumt ist und wieder alle im Auto sitzen, ist es meist 19 Uhr. Dann noch zwei Stunden fürs Rausräumen und Saubermachen – immerhin hat man kistenweise Material dabei – und ganz am Ende ein Bier am Stammtisch, um den Tag Revue passieren zu lassen. Was war gut? Was machen wir anders beim nächsten Mal?
Kochen für die Prominenz
Für Löw und Flick, Hoeneß und Herrenknecht, für Kretschmann und Calmund zu kochen – das ist schon etwas Besonderes. Der eine oder andere Koch aus dem Team vom Adler hat sich auch deshalb für die Fehrenbachers als Arbeitgeber entschieden. „Aber längst nicht alle“, sagt Daniel schmunzelnd. „Einen haben wir im Team, der sich überhaupt nicht für Fußball interessiert. Und wenn der die Sachen beschriftet, steht gern mal FC statt SC drauf.“ Apropos Fußball: Was kriegen die Köche vom Spiel mit? „Wir dürfen schon gucken“, sagt Daniel. „Wenn das Spiel läuft, stehen wir an der großen Glasfront und drücken die Daumen!“
Calmunds bester Matjes
Mit Anekdoten aus dem Stadion ist Daniel reich gesegnet. Mal hat man vergessen, den Kühlanhänger hinten richtig zu schließen, und stellte in Kuhbach fest, dass glücklicherweise nichts rausgefallen war. Oder die Geschichte, wie der Rainer Calmund damals nach dem Spiel zur Küche kam und freudestrahlend rief: „Das war der beste Matjes meines Lebens!“
Fisch und Fleisch – anfangs hatte man beim Sportclub andere Vorstellungen. „Die Idee war, stets parallel ein vegetarisches Menü anzubieten“, sagt Daniel. „Aber das ging nicht. Stattdessen arbeiten wir stets mit einer Variante, haben die Maultasche mit Zander- oder mit Gemüsefüllung. Die Veggie-Quote liegt bei den VIPs aber nur um die fünf Prozent und manchmal bringen wir von 30 vegetarischen Hauptgerichten sogar alle 30 wieder mit heim.“
Das Catering beim SC Freiburg
7,90 Euro kosten Wurst und Bier im Europa-Park Stadion, das ist Platz 14 in der Bier- und Bratwurst-Tabelle der Bundesliga. Nur in Wolfsburg, Bochum und bei Union sind die Preise noch etwas niedriger. Der Sportclub Freiburg ist zudem einer der wenigen Bundesliga-Clubs, die sich noch selbst und mit regionalen Partnern um das leibliche Wohl der Fans kümmern. Bei Union Berlin ist das auch so, andernorts aber haben große Caterer wie etwa Aramark das Sagen – und dann gibt es eben keine Rote wie vom Münsterplatz …
Mehr davon? Weitere Geschichten wie diese von #heimat-Herausgeber Ulf Tietge finden Sie auf den Seiten unseres Medienpartners #heimat Schwarzwald
{{=it.label.text}}
{{=it.label.author}}