Architektur / Stadtplanung
Architektur³. WerkGruppe 1 Holding GmbH, Gutach im Breisgau
Bauherrschaft
Röm.-kath. Kirchengemeinde Mittleres Elz- und Simonswäldertal
Fertigstellung
2019
Auszeichnungen
Bauwerk Schwarzwald e.V. Architekturroute 2022, Baukultur Schwarzwald Neues Bauen im Schwarzwald 2022, Hugo Häring Auszeichnung 2020 BDA Baden-Württemberg, Iconic Awards 2020_Innovative Architecture, Iconic Awards 2020_Innovative Material
Aufgabenstellung
Da das Kreuzrippengewölbe durch die Schwingungen der Glocken stark in Mitleidenschaft gezogen war und auf Dauer einzustürzen drohte, waren die Kirchenglocken viele Jahrzehnte lang im Dach des gotischen Chores aus dem Jahr 1514 untergebracht. Somit war der Neubau eines Kirchturmes unumgänglich. Dieser sollte jedoch nicht nur den Zweck eines reinen Glockenturms erfüllen, sondern auch als Aussichtsplattform und Brutvorrichtung für Vögel und Fledermäuse dienen.
Entwurf
Die Form des gleichseitigen Dreiecks wurde bereits im Kirchenzelt der 1970-er Jahre als Grundriss verwendet, welches als Kirchenschiff dient und den gotischen Chor überspannt. Daher war es naheliegend auch die Grundform des Turmes als gleichseitiges Dreieck auszubilden. In der christlichen Mythologie hat diese Form eine hohe Symbolkraft und gilt seit vielen Jahrhunderten als Zeichen der Trinität des göttlichen Wesens.
Der Kirchturm der Pfarrgemeinde St. Georg besteht aus drei Teilen: dem Turmschaft, dem Glockengestühl und dem Turmkopf. Im Schaft befindet sich eine Treppe, die dem Dreiecksgrundriss folgt und auf eine Aussichtsplattform führt. Über ein Schiebeladensystem lassen sich die Wände zu allen drei Seiten öffnen, was einen hervorragenden Ausblick über die Täler und die umliegenden Berge ermöglicht. Dadurch erhält der Turm auch eine touristische Komponente und wird zu diesem Zweck auch für Führungen geöffnet. Über dem Glockengestühl sind im Turmkopf verschiedene Ebenen vorgesehen, die als Brutvorrichtungen für seltene Vogel- und Fledermausarten dienen.
Material / Konstruktion
Der Kirchturm ist ein reiner Holzbau. Für die Wände, Stufen und Podeste wurde heimische Weißtanne verwendet.
Holz als Konstruktionsmaterial kann die dynamischen Lasten der schwingenden Kirchturmglocken des 33 Meter hohen Turmes besonders gut aufnehmen. Die dafür ausgewählten Kreuzlagenholztafeln weisen eine hohe Steifigkeit auf und eignen sich hervorragend für diese Planungsaufgabe. Zudem konnte so eine gestalterische Verwandtschaft zum Tragwerk des Kirchenzelts aus den 70er Jahren hergestellt werden.
Für die Fassadenverkleidung und Dacheindeckung wurde Accoya Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet. Das acetylierte Holz, welches durch diese Behandlung enorm an Dauerhaftigkeit und Resistenz gegen Schädlinge hinzugewinnt, eignet sich besonders für den Einsatz im Außenbereich. Aufgrund der lieferbaren Brettlängen wurde ein Fassadenrhythmus entwickelt, in welchen sich die vertikalen Fensteröffnungen integrieren. Die vorgestellten Lamellen zur gerichteten Schallausbreitung und die Schiebeläden der Aussichtsplattform sind aus demselben Material gefertigt. Sie treten leicht aus der Form heraus, beziehungsweise schneiden etwas in sie ein, was eine gewisse Dynamik erzeugt und der äußeren Gestalt eine zusätzliche Spannung verleiht.
Unterm Strich
Der neue Kirchturm ist die Schlusssequenz eines Kirchenensembles aus Gotik und Moderne. Er ist eine Landmarke im Zentrum dreier Schwarzwaldtäler, Aussichtspunkt und Glockenturm sowie Habitat für Vögel und Fledermäuse und von weitem als Holzbau erkennbar.
Die wesentlichen Gestaltungselemente, bestehend aus steiler Dachneigung, dreieckiger Grundform und Materialität sind allesamt aus dem Kirchenbestand hergeleitet. Daraus resultiert ein Gebäude, welches die vorgefundenen Einflüsse derart bündelt, dass es an keinem anderen Ort stehen könnte.